Als er 12 Jahre alt war, wurde bei ihm ADHS diagnostitiert. Seine Mutter nahm die Diagnose erleichternd zur Kenntnis. Ihr Sohn ist krank und sie kann nichts dafür. Fortan hatte sie immer eine Erklärung parat, wenn es zwischen den beiden zu einem Konflikt kam. „Du solltest deine Wahrnehmung überprüfen- schließlich hast du ADHS- und ich nicht“.
Er war vollkommen hilf- und machtlos gegenüber seiner Mutter. Nichts konnte er ihr recht machen. Er fühlte sich an allem schuldig. Es waren Kleinigkeiten, die seine Mutter auf die Palme brachten. Jedes Argument von ihm, wurde im Keim erstickt, schließlich habe er ja ADHS und nicht seine Mutter. Die permanente Schuldzuweisung zermürbe seine Kinderseele. Sein Selbstbild schwankte. Er hasste sich selbst und am Ende auch seine Mutter.
„Ich hätte nie gedacht, dass eine Mutter, die selber im sozialen Bereich mit Kindern tätig ist, ihren eigenen Kindern gegenüber so kläglich versagt“
Bis zu seinem 5. Lebensjahr war er der Stolz seiner Mutter, die sich wie eine Löwen vor ihr Kind stellte, wenn er die Grenzen anderer überschritt. Niemand durfte über ihn richten. Niemand durfte ihn begrenzen. Kinder seien nun mal so, war ihr Argument.- Sie selber war als Kind auch sehr rebellisch. Aber sie wollte allen beweisen, dass sie eine gute Mutter war. Ihre Selbstbild war ebenso ständig in Gefahr.
Als seine Schwester zur Welt kam, veränderte sich alles. Fortan war er der Sündenbock. Wenn seine Schwester ihn provozierte und er sich wehrte, bekam er den Anschiss von seiner Mutter zu spüren. Er sei ja schließlich der Ältere und vor allem der Klügere. Und er müsse das akzeptieren.
Wenn er in der Schule mit anderen Kindern in Konflikte verstrickt war, gehänselt und gemobbt wurde und nach der Verfolgungsjagd auf dem Heimweg sich zu Hause einfach nur entspannen wollte, sich um sich selbst kümmern, wurde er entweder von seiner Schwester mit ihren Freundinnen drangsaliert oder er musste seiner Mutter Gefälligkeiten erfüllen. Wenn er sich zur Wehr setzte oder seine Grenzen aufzeigte, wurde er bestraft. Manchmal wurde ihm auch suggeriert verantwortlich zu sein, selbst wenn er nichts getan hatte. In Ihm drin machte sich große Trauer breit. Er war hilflos gegen sein Außen. Als sein Großvater starb, beging er seinen ersten Selbstmordversuch. Statt Trost und Verständnis, kam emotionale Kälte zum Vorschein. Er brauchte anschließend 21 Jahre um den Tod zu verarbeiten. Einsam fühlt er sich heute noch. Aber seiner Mutter konnte er verzeihen.
Vor kurzem traf er eine ehemalige Arbeitskollegin seiner Mutter. Und diese bestätigte seine Wahrnehmung. „Man hat gemerkt, dass zwischen dir und deiner Mutter irgendwas nicht stimmte, Du hast mir leid getan. Ich konnte nicht verstehen, warum deine Mutter so mit Dir umgegangen ist“
Er hat in 5 Jahren Therapie seine ganze Kindheit aufgearbeitet. Seine Mutter hat immer jegliche Verantwortung von sich geschoben. Er weiß mittlerweile, dass seine Mutter nicht anders konnte, denn immer, wenn es zwischen ihnen beiden krachte, war auch seine Mutter, die Narzisstin in der Rolle eines Kindes. Auch sie war/ist hilflos und machtlos gegen ihre Gefühle.
Auch seine Mutter hatte eine größtenteils traumatisierende Kindheit. Sie hatte es nicht besser als er. Sie hat sich darum bemüht eine gute Mutter zu sein. Er konnte ihr schlussendlich verzeihen, auch indem er ihre Bemühungen anerkannte. Es war ihre (unglückliche) Art ihm zu zeigen, wie sie ihn liebte. Sie meinte es ja nur gut.
Dadurch gelang es ihm seine eigene narzisstische Persönlichkeitsstörung zu heilen und aufzulösen. Er ist nun geheilt. Seine Mutter dagegen tut ihm leid- er hat jedoch akzeptiert, dass er ihr nicht helfen kann und hat sich von ihr distanziert. Das ist das Beste, was er tun konnte.