Weiblicher Narzissmus, auch mütterlicher oder verdeckter bzw. vulnerabler Narzissmus genannt, ist ein vielschichtiges Phänomen, das oft im Schatten des männlichen bzw. offenen oder grandiosen Narzissmus steht. Das perfide daran aber ist: Oft wird das angepasste oder „überfürsorgliche“ Verhalten nicht als narzisstisch erkannt. Stattdessen wird gern die Schuld umgekehrt oder aber Kinder, Männer und andere Gegenspieler werden als undankbar oder egoistisch betitelt. Frauen können schließlich keine Narzissten sein, dafür seien sie zu empathisch. Wenn, dann sind es die Männer.
Wie weiblicher Narzissmus Beziehung zum Kind beeinflusst
Nicht selten werden Schwiegersöhne bzw. Partner von Töchtern narzisstischer Mütter als das Problem „entlarvt“. Viele Schwiegermütter gefallen sich dabei in der Rolle des Opfers, welches ahnungslos in die Narzissmusfalle hinein geraten ist. Selbstreflektion: Fehlanzeige! Weiblicher Narzissmus ist ein Sinnbild für kognitive Verzerrungen im Durcheinanderland zwischenmenschlicher Beziehungen.
In diesem Artikel gehe ich auf einige Beispiele ein, sowohl aus meiner Praxis, als auch dem Leben. Gleichzeitig möchte ich auf die Folgen aufmerksam machen, die weiblicher Narzissmus nach sich ziehen kann.
Männlicher vs. weiblicher Narzissmus
Bekannt und populär ist vor allem der männliche Narzisst, so will man meinen. Grandiose Managertypen, eingebildet, rücksichtslos, arrogant. Sicherlich ein bisschen großspurig. Vielleicht auch nervig, aber meistens eher nicht psychisch krank. Eher übertrieben abgehoben. Vielleicht auch verlogen. Charakterlich scheinbar durch und durch verdorben.
Die Steigerung vom männlichen Narzissmus ist der maligne Narzissmus. Männer die nicht nur narzisstisch sind, sondern auch noch antisozial und passiv aggressiv. Meistens sogar sehr offen und nicht bloß, wenn sie besoffen sind. Der Ausdruck „Choleriker“ wäre in diesem Fall eine grandiose Untertreibung.
Weiblicher Narzissmus dagegen ist nicht so leicht zu erkennen. Dieser kommt nämlich hinterrücks, subtil, manipulativ und maskiert von hinten. Weiblicher Narzissmus ist ein Synonym für verdeckter Narzissmus. Für die Gesellschaft erscheint weiblicher Narzissmus oft nicht sichtbar oder greifbar. Unter dem Mantel der Gutherzigkeit lassen sich viele Makel problemlos kaschieren. Man denke dabei bitte an die raffgierige schwarze Witwe, die mit Gift tötet, oder an das Buch „Das Gift der Narzisse“.
Was ist verdeckter weiblicher Narzissmus?
Im Buch „Weiblicher Narzissmus“ von Bärbel Wardetzki werden narzisstische Frauen wie folgt beschrieben:
- Hohe Selbstzweifel: Narzisstische Frauen haben häufig ein eher niedriges Selbstwertgefühl, welches sie durch eine makellose Fassade zu kompensieren versuchen. Sie definieren sich daher häufig über ihr Aussehen oder darüber, was andere von ihnen denken.
- Perfektionismus: Männlicher und weiblicher Narzissmus ist in diesem Punkt ziemlich identisch. Betroffene haben einen hohen eigenen Leistungsanspruch an sich selbst sowie an andere. Hinter dieser Disziplin befindet sich häufig ein hoher Wunsch nach Anerkennung und Bestätigung.
- Falsche Bescheidenheit: Ein weiteres Symptom von weiblichem Narzissmus ist, dass sich Betroffene häufig in der Opferrolle wahrnehmen. Weibliche Narzissten neigen dazu, sich abzuwerten, sich kleiner zu machen als sie sind und sich sowohl schüchtern als auch verletzlich zu zeigen. Diese Eigenschaften erschweren es dem Umfeld sich abzugrenzen. Mehr noch verstricken sich Angehörige von Narzisstinnen in dysfunktionalen Loyalitäten und können nicht anders, als Mitgefühl zu zeigen.
- Mangel an Kritikfähigkeit: Obwohl Frauen ganz allegmein als selbstkritischer wahrgenommen werden als Männer, zeigt sich hierbei häufig, wie narzisstisch manche Frauen wirklich sind. Denn Menschen mit der verdeckten Form der narzisstischen Persönlichkeitsstörung können sachliche und persönliche Kritik nicht voneinander unterscheiden. Narzisstinnen nehmen demnach auch konstruktive Kritik persönlich und reagieren hierauf oft gekränkt.
- Weiblicher Narzissmus Sexualität: Verdeckt narzisstische Menschen werden insbesondere am Anfang einer Liebschaft als sehr charmant und verführerisch wahrgenommen. Ziel sind jedoch nicht die Erfüllung der Bedürfnisse des Partners sondern der Erhalt von Bestätigung. Partner von weiblichen Narzissten dienen folglich als Projektionsfläche.
Verdeckter weiblicher Narzissmus in der Partnerschaft
Frauen mit narzisstischen Merkmalen nutzen oft Beziehungen als Mittel zur Selbstbestätigung und zur Förderung ihrer eigenen Interessen. Sie streben danach, sich begehrenswert zu fühlen, ihren Selbstwert zu steigern, ein Gefühl der Grandiosität zu erleben und als die Schönste angesehen zu werden. In ihrem Weltbild haben die Männer ihr das zu Geben, was ihr ihrer Meinung nach zusteht – Treue!
Wenn sie das Gefühl haben, dass ihr Partner ihre Bedürfnisse nicht mehr erfüllt oder nicht genug Bewunderung zeigt, können sie sich leicht von ihm abwenden oder sich selbst als Opfer von narzisstischem Missbrauch darstellen.
Die Verbindung von weiblichem Narzissmus und der Opferrolle führt nicht selten zu einer toxischen Beziehungsdynamik. Partner, Freunde und Familienmitglieder können sich dabei wiederfinden, verzweifelt bemüht zu sein, die Bedürfnisse der narzisstischen Frau zu erfüllen oder es ihr recht zu machen, während diese sich in der Rolle des vermeintlichen Opfers bestätigt fühlt.
Weibliche Narzisstinnen sind Meisterinnen der emotionalen Manipulation
Narzisstische Frauen nutzen geschickt ihre Emotionen als Mittel, um die Gefühle anderer zu beeinflussen und Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie können Schuldgefühle, übermäßiges Selbstmitleid oder inszeniertes Drama einsetzen, um Sympathie zu erregen. Sie bedienen sich dabei nicht selten aller möglichen Klischees bezüglich der Rolle der Frau in der Gesellschaft.
Weiblicher Narzissmus Trennung
Oft übertreiben sie in bestimmten Situationen, wie z.B. einem Streit oder einer Trennung, um im Rampenlicht zu stehen, ohne dabei offensichtlich dominierend zu wirken. Dieses Verhalten ermöglicht es ihnen, die gewünschte Aufmerksamkeit und Unterstützung zu erhalten, während sie ihre wahren Motive versteckt halten. Das Umfeld soll denken, dass sie das Opfer sind, welches unheimlich verletzt ist und daher Schutz und Mitgefühl bedarf. Ihre eigenen Anteile am jeweiligen Konflikt werden dabei oft verschwiegen oder verzerrt dargestellt.
Die narzisstische Mutter: Mütterliches Misstrauen statt Mutterliebe
Kinder, denen man nichts zutraut, die so gesehen auch nichts lernen dürfen, werden zu Erwachsenen, die nichts können. Man bezeichnet solche Menschen gerne mal als Muttersöhnchen oder beste Freundin der Mutter. Während die Söhne narzisstischer Mütter sich schwer tun, sich von ihren Müttern abzunabeln und in Konflikten sich fühlen und benehmen wie kleine Jungs, wird es den Töchtern narzisstischer Mütter oft schwer gemacht. Denn kein Mann scheint gut genug, um eine eigene Familie zu gründen.
Söhnen narzisstischer Mütter fehlt es an Durchsetzungsvermögen. Es gelingt ihnen nicht sich von ihren Müttern abzugrenzen. Das liegt zum einen daran, weil die Angst vor Ablehnung bei vielen betroffenen Männern sehr tief sitzt. Andererseits idealisieren sie ihre Mütter und gehen mit entsprechender Erwartungshaltung auf Brautschau. Es scheint, als sei keine Frau gut genug, um den überzogenen Ansprüchen zu genügen.
Töchter narzisstischer Mütter dagegen haben es oft geschafft sich abzugrenzen, jedoch konkurrieren ihre Mütter mit den Männern. Auch kommt es vor, dass sie sich bei den Liebhabern ihrer Töchter so sehr einschmeicheln, dass sie sich unentbehrlich machen bei ihnen. Man könnte fast annehmen, Männer führen in solchen Konstellationen eine Art Dreicksbeziehung. Der Terminus „Schwiegermonster“ hat nicht umsonst eine Daseinsberechtigung.
Der Loslösungsprozess wird zur Qual: Narzisstischen Müttern bleibt oft keine andere Wahl
Ich hatte mal in meiner Hamburger Praxis so ein Prachtexemplar von Mutter. Sie war 55 und ihre Tochter Anfang 30, als diese sich entschied, zu heiraten und mehr Zeit mit ihrem Mann und ihrem Kind zu verbringen. Diese Frau kam zu mir, weil sie der felsenfesten Überzeugung war, dass ihr Schwiegersohn ein Narzisst sei, der ihr Tochter und Enkelkind entfremdet. Weiblicher Narzissmus pur.
Hochgradiger Belastungsdrang. Diese Frau hat nicht locker gelassen. sie bestand darauf, dass dieser Mann ihr die Tochter entzogen hat, dabei wollte diese lediglich ein neues Leben führen und hat angefangen sich abzugrenzen.
Leider konnte ich ihren Verdacht nicht bestätigen, was mich aus Sicht der Frau zu einem Flyling Monkey machte. Als Therapeut müsse man schließlich die Meinung der Patienten stets und ständig teilen. Bis ihre Tochter sich in den Mann ihrer Wahl verliebte, hatten beide Frauen ein sehr enges Verhältnis. Und sie könne es nun absolut weder verstehen, noch gutheißen, von ihrer Tochter zum fünften Rad am Wagen degradiert zu werden. In ihrem verzerrten Weltbild war der Schwiegersohn das Problem.
Weiblicher Narzissmus bei Müttern zeichnet sich häufig dadurch aus, dass die Betroffenen sich für andere aufopfern, sich selbst dabei vernachlässigen und erwarten, dass das Umfeld dies sieht und es eben so tut. Extrem hohe Ansprüche, Bescheidenheit und zu wissen, was sich gehört, andere dabei zu belehren, sich permanent einmischen, all das beschreibt eine narzisstische Mutter.
Missgunst und ständiger Neid an den Errungenschaft der Kinder, die doch eigentlich als verlängerter Arm dienen sollten, runden das Bild ab. Kinder narzisstischer Eltern werden oft ihrer eigenen Autonomie beraubt, müssen sie doch ständig riskieren, die Liebe der Frau zu verlieren, welche sie eigentlich mit Liebe im Herzen aufziehen sollte. Versuche, sich selbst zu einer eigenständigen, reifen Persönlichkeit zu entwickeln, werden oft schon in den Anfängen im Keim erstickt.
Das individuelle Leben außerhalb des Systems Familie wird dabei als stetiger Gefahren- oder Unruheherd gesehen. So gesehen wird der Loslösungsprozess zur Qual, wenn die narzisstische Mutter glaubt, verlassen zu werden. Denn so hat sie aus ihrer Sicht scheinbar keine andere Wahl, als den neuen Partnern ihrer Kinder zu misstrauen.
Weiblicher Narzissmus: Mütterliche Überfürsorge oder eine schwere Persönlichkeitsstörung?
Eine Mutter mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung ist durch ihre übermäßige Suche nach Aufmerksamkeit und Bewunderung erkennbar. Sie benutzt ihre Söhne oder Töchter als Mittel, um ihr eigenes Selbstwertgefühl zu steigern und zeigt gegenüber anderen Menschen oft abwertendes oder arrogantes Verhalten.
Kritik oder Feedback werden von ihr nicht akzeptiert, stattdessen projiziert sie ihre negativen Gefühle auf das Kind, auf Spielgefährten in der Schule oder eben in schwiegermonsterlicher Manier auf den neuen Lebenspartner. Gleichzeitig wird erwartet, dass jeder mütterliche Rat ernst genommen wird und keinem Wunsch widersprochen.
Weitere Synonyme für narzisstische Mütter sind: „Rasenmäher-Mütter“ oder auch Mutter-Theresa- Narzissmus. Ein Schelm, der Böses denkt, wenn er an die sogenannten und vor allem gutgemeinten RatSCHLÄGE denkt, die unbedingt beachtet werden müssen, weil die Frau sonst hochgradig beleidigt ist.
Aufmerksamkeit und Leistungsdruck statt echter Bindung
Besonders in schulischen Misserfolgen oder bei schlechten Noten leiden narzisstische Mütter. Anstatt das Kind zu unterstützen oder zu motivieren, sind sie selbst schwer enttäuscht, denn was sollen jetzt die Lehrer denken? Und Schuld daran ist nun das Kind, welches das mütterliche Ansehen beschmutzt hat. Nicht selten entziehen solche Mütter ihren Kindern jegliche Aufmerksamkeit solange, bis der eigene Anspruch endlich wieder erfüllt wird.
Jeglicher Versuch des Kindes nach Individuation wird unterbunden, hat es sich doch den idealisierten Normen oder Werten des mütterlichen Narzissmus zu unterwerfen. Das fängt bei der Kleiderwahl bei Anlässen an und endet nicht selten mit Ausschluss von Feierlichkeiten und Festivitäten.
Liebesentzug, Manipulation, Schuldumkehr und zweideutige Botschaften haben schwerwiegende Folgen für die Kinder und ihr Selbstwertgefühl. Wenn Außenstehende bemerken, dass etwas zwischen Kind und Mutter nicht stimmt, wird oft behauptet, das Kind habe zu viele Gefühle oder Emotionen, ADHS oder sei hochsensibel und überempfindlich, um von den eigentlichen Problemen abzulenken.
Auswirkungen auf die Kinder narzisstischer Mütter:
- Erfahrung von Demütigung und das Gefühl, nicht in Ordnung zu sein.
- Kontrolle durch die Mutter.
- Vernachlässigung durch die Mutter.
- Wutausbrüche, Geschrei und Schimpfen.
- Abwertung von guten oder durchschnittlichen Leistungen.
- Desinteresse an den Hobbys und Interessen des Kindes.
- Nicht eingehaltene Versprechen.
- Gestörtes Selbstbild, möglicherweise mit Minderwertigkeitskomplexen.
- Verminderter Selbstwert.
- Entwicklung von Bewältigungsstrategien, darunter möglicherweise narzisstisches oder antisoziales Verhalten in späteren Beziehungen.
Weiblicher Narzissmus: Die eigene Kindheit als Rechtfertigungsversuch
Mütter, die eine verdeckte narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickelt haben, haben häufig selber eine belastende und zuweilen auch traumatisierende Kindheit erlebt und ihre Verletzungen verdrängt. Nicht selten litten sie selber unter einer narzisstischen Mutter. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung wird in der Wissenschaft als Spektrumsstörung bzw. Traumafolgestörung betrachtet, mit unterschiedlichen Graduierungen.
Weiblicher Narzissmus: Der Hunger nach Anerkennung
Weibliche Narzissten bewerten, kontrollieren, manipulieren und konkurrieren oft mit ihren Töchtern, ohne Grenzen zu beachten. Sie nennen es oft Liebe, dabei steht dahinter oftmals Angst, Scham und Anspruchdenken. Vor allem fehlt es ihnen an Empathie und echtem Interesse an der Erlebniswelt ihrer Kinder, da sie einen inneren Mangel verspüren, einen unstillbaren Hunger, wie von der Psychotherapeutin Susan Forward in ihren Büchern beschrieben. Diese Leere lässt sich nicht füllen.
Forward verwendet die beeindruckende Metapher der „Hungergeister“ aus der asiatischen Mythologie, die sich danach sehnen, ihren Hunger zu stillen, aber mit winzigen Mündern und dünnen Hälsen niemals satt werden können. Daher greifen weibliche Narzisstinnen zu radikalen Mitteln, um ihren Selbstwert zu steigern, indem sie andere abwerten, beleidigen und zerstören.
© Daniel Brodersen