Eine frühe traumatisierung im Mutterbauch kann unsere Fähigkeit zur Schmerzunterdrückung beeinträchtigen. Die Übermittlung von Informationen an höhere Gehirnebenen meist auf dem Weg über den Thalamus muss sich fließend vollziehen. Normalerweise produzieren wir Stoffe wie Serotonin, die den Informationsfluss hemmen, wenn er überwältigend wird. Ein vorgeburtliches Trauma kann allerdings dieses Gating-System überfordern und zu durchlässigen Pforten führen. Wenn das geschieht, können Gefühle und Empfindungen in den Denkapparat vordringen und die Konzentration und das Wohlbefinden stören.
Folgt darauf eine lieblose Kindheit vielleicht mit emotionaler Vernachlässigung oder Misshandlung, schwächt sich das Gating-System möglicherweise weiter ab, weil es nun unter dem Ansturm aufsteigender Gefühle steht. In einem Zustand ständiger Angst oder Anspannung werden die Stoffe, die wir zum Zurückhalten von Schmerz und zur ordnungsgemäßen Funktion der Gates brauchen, nicht in ausreichendem Maße produziert.
Hysterie – eine Folge von Traumatisierung im Mutterbauch
Freud verwendete für solche durchlässigen Gates den Begriff „Hysterie“, der sich vom griechischen Wort „Hysterion – Uterus“ ableitet. Er benutzte ihn erstmals in Zusammenhang mit der in Wien geborenen jüdischen Feministin Bertha Pappenheim, die unter anderem an Halluzinationen, Lähmungen und Suizidgedanken litt. Freuds Interpretation des Falls gilt heute als Beginn des psychoanalytischen Zeitalters. Seiner Einschätzung nach basiert die Hysterie auf einem unterdrückten Sexualtrieb und könnte durch eine Gesprächstherapie behandelt werden. Obwohl seine Definition der Hysterie heute weitgehend abgelehnt wird, ist Freuds Einschätzung der Symptome noch anwendbar.
Was ist eine hysterische Person?
Hysterische Personen reden und bewegen sich ständig, handeln oft unüberlegt und neigen beim kleinsten Anlass zu Überreaktion. Das dürfte mit durchlässigen Pforten zu tun haben. Impulse aus dem limbischen System befördern Angst und Schrecken in die Region des Kortex. Wenn die Pforten diese Reaktion nicht regulieren können, brechen die Dämme. Das führt zu Panik und dem Bedürfnis, Probleme sofort zu lösen. Aus diesem Grund sind hysterische Personen selten zurückhaltend und sagen, was ihnen gerade in den Sinn kommt.
Auch narzisstische Störungen können durch die Traumatisierung im Mutterbauch verursacht werden
Ein Trauma ist ein einschneidendes Ereignis, durch das sich bestimmte überlebenssichernde Verhaltensweisen einprägen. Leider beherrschen diese frühen Einprägungen unser Verhalten dann auch in gefahrlosen Situationen, denn das Nervensystem hat ein enormes Erinnerungsvermögen und tut im Interesse des Überlebens immer sein Möglichstes. Ein frühes Trauma kann folglich narzisstische Störungen hervorrufen und auch hypervigilante Symptome mit sich bringen.
Das hat Darwin uns schon vor fast 200 Jahren gelehrt. Neugeborene fühlen intensiver und umfassender als zu jeder anderen Lebenszeit. Ihr sensorisches Fenster ist weit geöffnet, und sie können so umfassend reagieren wie niemals wieder. Ihre allerersten Lebenserfahrungen werden nicht von Illusionen und Ideen verschleiert.
Alles hat seine Gründe
Spielt es eine Rolle, warum wir Kinder haben wollen? Beeinflussen unsere bewussten oder unbewussten Gründe das winzig kleine Leben, das im Uterus heranwächst? Ja! Verschiedenen Studien zufolge sind Kinder von Müttern, die – aus welchen Gründen auch immer – unglücklich über ihre Schwangerschaft waren, öfter reizbar und ruhelos, sie schreien mehr, essen wenig und erbrechen oft. Diese Tatsache spricht für die Annahme von Professor Arthur Janov in dem bereits genannten Buch.
Alles hat seine Gründe, wird immer gesagt. Und einer dieser Gründe ist tatsächlich die Prägung im Mutterbauch. Kann man mit der Traumatisierung im Mutterbauch damit den krankhaften Narzissmus erklären? Ja und Nein!!! Dennoch ist es wichtig, sich dieser Zusammenhänge im Klaren zu sein.
© Leonard Anders (Aus ein Narzisst packt aus)