Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Symptome, Ursachen und Therapie

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Kein Krankheitsbild wird öffentlich mehr diskutiert, als die Narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS). So wie es scheint, sind sich Wissenschaft und Medien auch nicht einig darüber, welche Merkmale einen Narzissten ausmachen und was die Kriterien für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung sind. Was aber Fakt ist: Die NPS ist jedoch Stand jetzt die am seltensten vergebene Diagnose. Warum das so ist und warum der Begriff trotzdem so inflationär benutzt wird, soll dieser Artikel erklären.

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist schwer zu diagnostizieren
Um eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren bedarf es mehrerer Gespräche

Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, mich mit der Begriffsdefintion „Narzisstische Persönlichkeitsstörung“ zu befassen. Als Heilpraktiker für Psychotherapie und Betroffener, der in einer narzisstisch geprägten Familie aufgewachsen ist, war es mir schon immer wichtig anderen Betroffenen zu helfen. Mittlerweile habe ich aufgrund meines Wissens und meiner langjährigen Berufserfahrung die Möglichkeiten dazu.

Wie merkt man, dass jemand ein Narzisst ist?

Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung wird nach ICD-10 (europäische Krankheitsklassifizierung, Stand 2016) unter den „sonstigen spezifischen Persönlichkeitsstörungen“ eingeordnet und diagnostisch nur wenig lebensnah charakterisiert oder überhaupt beschrieben, was wenig hilfreich für alle Betroffenen ist. Sowohl Angehörige von Narzissten, als auch die meisten aller Therapeuten und Coaches sind sich uneins darüber, woran man jetzt einen Narzissten erkennt. Und auch ich bin mir oftmals gar nicht so sicher.

Laut Google ist die narzisstische Persönlichkeitsstörung ein Begriff der pro Monat 51000 Suchanfragen erhält. Wenn man sich die Foren und Youtubevieos anschaut, scheint es so zu sein, dass man einen Narzissten an folgenden Merkmalen erkennt:

  • Ein Narzisst wirkt unfassbar anziehend auf seine Mitmenschen, jedoch nur am Anfang, denn er ist ein Blender der sich gern größer macht als er ist
  • Narzissten machen andere von sich abhängig und zerstören ihre Partner schließlich durch Abwertung
  • Ein Narzisst verdreht die Tatsachen, betreibt Gaslighting und verunsichert seine Mitmenschen so sehr, dass diese denken selber schuld zu sein
  • Narzissten machen sich größer als sie sind, während sie im innersten total selbstunsicher und höchst sensibel gegenüber Kritik sind

Diese Merkmale suggerieren, dass jeder Mensch mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung einem nicht die Wahrheit erzählt, jedoch gnadenlos an seiner Geschichte festhält. Ein Narzisst ist mehr in den Schein verliebt ist, als in die Realität. Eine narzisstische Person ist jemand der Luftschlösser baut, Lovebombing betreibt und erst nach einer gewissen Zeit sämtliche Hüllen fallen lässt und sich offenbart.

Die Narzisstische Persönlichkeit: arroganz
Narzissten gelten als arrogant und selbstverliebt

Jeder Mensch könnte ein Narzisst sein

Wenn dem so wäre, gäbe es ziemlich viele Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Denn neigen wir alle nicht hin und wieder dazu, uns selbst ins bestmögliche Licht zu stellen? Schließlich wollen wir doch alle gemocht werden. Der Mensch sieht die Welt so, wie er selber ist. Sein Weltbild ist geprägt durch seinen Filter der indivdiuell gemachten Erfahrung. Die Psychologie bezeichnet diese Bilder auch als Glaubenssätze, Schemata oder Muster.

Hält man an seinen Glaubenssätzen, Schemata oder Muster fest, gerät man laut Reinhard Haller in die Narzissmus Falle. Pablo Hagemeyer bezeichnet diese Verhaltensweisen in seinem neuen Buch als Selbstsabotage. Weitere Synonyme sind: der innere Kritiker, Arschengel oder Soziopath.

Die Defintion der narzisstischen Persönlichkeitsstörung laut ICD- 10 ist recht dürftig

Die Wissenschaft ist sich dennoch uneins. In der bisherigen Auflage des Diagnosehandbuchs, sind weder der weibliche verdeckte Narzissmus, noch der offene männliche Narzissmus beschrieben. Auch Psychopathie oder pathologisches Lügen kommen nicht darin vor. Beschrieben wurde lediglich das Krankheitsbild der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die wir ja mittlerweile wissen sehr selten ist.

Wenn man sich die Kriterien anschaut, wird man unweiglicherlich feststellen, das das Bild der Wissenschaft nicht das Bild beschreibt, was viele Angehörige von Narzissten empfinden.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Symptome laut ICD-10

  1. hat der NPS´ler ein grandioses Verständnis der eigenen Wichtigkeit (übertreibt etwa Leistungen und Talente, wünsch sich ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden)
  2. ist oft stark eingenommen von Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Brillanz, Schönheit oder idealer Liebe
  3. glaubt der NPS´ler von sich, „besonders“ und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder hochgestellten Menschen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen verkehren zu müssen
  4. benötigt exzessive Bewunderung
  5. legt ein Anspruchsdenken an den Tag, d. h. hat übertriebene Erwartungen auf eine besonders günstige Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen
  6. kann in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch sein, d. h. zieht Nutzen aus anderen, um eigene Ziele zu erreichen
  7. zeigt einen Mangel an Empathie: hat Schwierigkeiten, die Gefühle oder Bedürfnisse anderer zu erkennen/anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren
  8. ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn
  9. kann arrogante, hochmütige Verhaltensweisen oder Ansichten zeigen

Fünf oder mehr als fünf dieser Kriterien müssen voll und ganz erfüllt sein, um von einer klassischen Narzisstischen Persönlichkeitsstörung auszugehen. Sofern 5 oder mehr Kriterien nicht voll und ganz erfüllt sind, spricht man von einer narzisstischen Persönlichkeitsakzentuierung. So gesehen, gibt es vermutlich viele Narzissten, aber nur wenige von Ihnen erfüllen auch die Kriterien für eine Diagnose nach ICD-10.

Sind Narzissten psychisch krank oder traumatisiert?

Die Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsfunktionalität und des Ausdrucks der Persönlichkeit sind über die Zeit und über unterschiedliche Situationen hinweg relativ stabil. Man spricht von wiederkehrenden Verhaltens- und Bewertungsmustern.

Die Betroffenen habe eine übertriebene Vorstellung davon, wie wichtig sie selbst sind. Sie fordern und erwarten, ständig von anderen bewundert und gelobt zu werden. Gleichzeitig können sie nur in eingeschränktem Umfang die Perspektiven anderer Menschen einnehmen. Reflexions- und Empathiefähigkeit zeichnen einen „gesunden“ Menschen aus. Ist beides nicht oder nur mangelhaft vorhanden, ist das ein Indiz für das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung.

Ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung ist feindseliges Verhalten. Der Selbstwertgestörte Mensch geht allgemein davon aus, dass die Welt ein feindlicher Ort ist. Dass diese Kriterien auch auf die komplexe posttraumatische Belastungsstörung zutreffen, vermag nur die wenigsten jetzt verwundern. Stellt sich die Frage: Sind Narzissten psychisch krank oder komplex traumatisiert?

Handsome egocentric man in studio
Narzissten zeigen oft kaum Bereitschaft sich in andere einzufühlen

Dr. med. Eva Dieckmann, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Autorin des Buches „Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung mit Schematherapie behandeln, ist der Ansicht, dass die Kriterien der ICD-10 nicht alles berücksichtigen, was es zu berücksichtigen gilt. Deswegen wird relativ häufig in Kliniken das Diagnostikkriteriumsmodell nach Millon (1996) herangezogen.

Modell der narzisstischen Persönlichkeitsstörung nach Millon

Personen mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung…

• verlassen sich mehr auf sich als auf Andere

• streben danach, besser, schöner, bedeutender und reicher zu sein als Andere,

• verhalten sich in sozialen Situationen nicht reziprok, erwarten Bewunderung, Unterstützung und Einräumen von Sonderrechten, weil sie ihnen zusteht.

• Es gelingt ihnen oft, Andere zu beeindrucken und dazu zu bringen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

• suchen sich dazu passende Partner (abhängige P.S.).

• bestätigen sich selbst, deuten Misserfolge um

• Beim Scheitern der Umdeutung: Scham, Niedergeschlagenheit, Leere

• Sind nicht in der Lage, Trost und Zuwendung Anderer zu suchen

• Sie erleben wenig Konflikte, meinen, dass alles gut läuft.

• Sie machen sich kaum Gedanken, was Andere von ihnen halten.

Das macht die Beziehung zu Narzissten so anstrengend

Narzissten erwarten dass man Ihnen Aufmerksamkeit und Sonderrechte einräumt. Selbst sind sie aber nicht dazu bereit, anderen diese Anerkennung zu geben. Gleichzeitig sind sie schnell beleidigt, wenn man Ihnen diese Bestätigung nicht geben mag. Das hat ein bisschen auch was unreifes, fast schon kindliches. Wie der kleine Junge, der seinen Lolly nicht bekommt.

Narzissten sind gut darin andere Menschen um den Finger zu wickeln und diese dazu zu bringen, Dinge zu tun, die sie unter normalen Umständen niemals tun würden. Narzissten sind gut darin, andere zu manipulieren, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Da ein Narzisst jedoch oft nicht klar genug ist, seine wahren Absichten zu formulieren, wird es immer Uneinigkeit über seine Motive geben.

Auffallend dabei ist die mangelnde Bereitschaft sich in den anderen hinein zu versetzen. Empathie zeigt ein Narzisst gegenüber anderen nur dann, wenn es ihm etwas nützt oder ein Beziehungsabbruch im Raum steht. Ist das der Fall, kann der Narzisst kurzzeitig kämpfen und das gewünschte Verhalten abrufen. Jedoch ist diese Veränderung selten nachhaltig. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Die meisten narzisstischen Menschen wurden von ebenso narzisstischen Eltern erzogen.

Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung ist bald Vergangenheit

In der neuen ICD-11 wurde die Narzisstische Persönlichkeitsstörung als Krankheitsbegriff gestrichen, weil herausgefunden wurde, dass jeder Mensch über narzisstische Züge verfügt und die Grenze zum pathologischen Narzissmus fließend ist und daher nicht eindeutig. Der Begriff Narzisst ist nicht klar genug und wird zu inflationär verwendet. Oft werden Menschen als Narzissten betitelt, von Menschen die selbst narzisstisch sind, während die Betitelten höchstens ebenso narzisstische Züge zeigen, die aber nicht ausreichen um von einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung sprechen zu können.

Der Narzissmus ist ein wahnwitziges Thema. Irgendwie sind wir alle ein bisschen narzisstisch.

Bärbel Wardetzki

Sind wir nicht alle ein bisschen narzisstisch?

Anhand meines neu formulierten und ergänzten Textes über die narzisstische Persönlichkeitsstörung, dürfte hoffentlich ein bisschen Lichts in dunkle gekommen sein. Der ein oder andere mag sich sogar in den Beschreibungen wieder erkannt haben. Auch ich war einmal ein kleiner Junge, der beleidigt war, weil er mal wieder keinen Lolly bekam. Als mittlerweile Erwachsener kenne ich die Gründe dafür.

Trotzdem bin ich jetz auch hin und wieder schwer beleidigt, wenn man mir keine Wertschätzung entgegen bringt. Doch aufgrund meines Wissens und meiner therapeutischen Fähigkeiten gelingt es mir, mich dahingehend zu trösten und selbst zu regulieren. Denn ich erkenne, dass ich das Verhalten anderer oft übereilig bewerte und mich dann über meine Gedanken aufrege. Ich hinterfrage also meine Gedanken und komme so zu einem anderen Ergebnis.

Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung jedoch glauben ihre eigenen Gedanken. Gleichzeitig geben sie anderen die Schuld. Sie projizieren also maßlos ohne zu erkennen, dass der Schein trügt und sie im Irrtum sind. Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung neigen erheblich zu kognitiven Verzerrungen.

Menschen mit einer Akzentuierung erkennen dies und können ihre Wahrnehmung relativieren. Oft entschuldigen sie sich sogar. Dass sich diese Muster dann wiederholen, liegt an ihrer Impulsivität.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung: Therapie und der Weg dahin

Man sagt dass Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung selten den Weg in die Therapie finden. Sie sind sich ihres pathologischen Narzissmus nicht bewusst. Häufig leiden sogar andere unter ihrem Verhalten. Wenn sich jemand nicht über seine Erkrankung bewusst ist, hat er aus seiner Sicht auch keinen Grund dazu, in Therapie zu gehen. Narzissten sind so gesehen wie Süchtige mit fehlender Krankheitseinsicht.

Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsakzentuierung, die wir als Gesellschaft fälschlicherweise als Narzissten betiteln, jedoch sind häufig einsichig und bereit an sich zu arbeiten. In der Regel wird bei Ihnen eine Traumafolgestörung oder eine Depression diagnostiziert. Bewährt haben sich bei narzisstischer Persönlichkeitsstörung die Schematherapie, die Emotionsfokussierte Therapie oder die Mentalisierungsbasierte Psychotherapie. Gerne stehe ich dir bei Fragen dazu zur Verfügung.

© Daniel Brodersen

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