In eine narzisstische Krise stürzen Narzissten, die großspuring auftreten und dann von der Wirklichkeit eingeholt werden, also Menschen, die sich größer machen, als sie sind und dann umkippen, weil ihr Selbstbild erschüttert wurde. Ist das der Fall, erreichen Sie einen Zustand von totaler Verlassenheit, Hilflosigkeit und Ohnmacht, bis hin zu einer tiefen Depression, aus der sie sich nicht mehr selbst befreien können, da bisherige Bewältigungsstrategien versagen. Die narzisstische Krise bietet aber auch die Chance für eine Therapie.
In Zeiten von Stress, persönlichen Rückschlägen oder Bedrohungen des Selbstwertgefühls kann das Verhalten von Menschen mit narzisstischen Merkmalen variieren. Mögliche Symptome für die narzisstische Krise könnten eine verstärkte Suche nach Bewunderung, erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Kritik oder ein verstärktes Bedürfnis nach Bestätigung sein. Diese Phasen könnten von verstärktem Hochmut und Selbstschutz bis hin zu depressiven Verstimmungen reichen.
Der Narzisst braucht die Anerkennung von anderen, wie die Luft zum atmen
Narzissten bauen oft Scheinidentitäten auf. Also Bilder, denen Sie gerne entsprechen wollen, was sie aber oft nicht tun. In seiner Fantasie ist der Narzisst ein Superheld oder ein Superschurke. Er ist von seinen Fähigkeiten überzeugt und glaubt, für sein brillantes Dasein von anderen bewundert werden zu müssen.
Über die Bestätigung von Außen zieht er seinen Wert. Darüber reguliert er sein eigenes Selbstwertgefühl. Ohne die Bewunderung seiner Mitmenschen erscheint der Narzisst nicht überlebensfähig. Hinter seiner Fassade bröckelt es ständig.
Deswegen verbringt der Narzisst auch vorrangig Zeit mit Menschen, die ihm seine Bedeutung spiegeln und die ihn so akzeptieren, wie er ist. Jemand der ihn ständig kritisiert, den meidet er und lehnt er auch komplett ab. Wer nicht seiner Meinung ist, wird dagegen nicht nur abgelehnt, sondern auch abgewertet. Gleichzeitig verunsichern ihn andere Meinungen, welche er oft als persönlichen Angriff sieht. Erhält er für sein überzogenes Selbstbild dazu auch noch zu wenig Anerkennung, erlebt er dies als schwere Kränkung und gerät in eine narzisstische Krise.
Die Macht der Kränkung: Wie sich eine narzisstische Krise anbahnen kann
Um sich vor schmerzhaften Verletzungen seiner Seele zu schützen, werden sämtliche Erfahrungen abgewehrt, die ihm seine Normalsterblichkeit bewusst machen. Er braucht dieses Superheldenimage um sich stark zu fühlen oder von anderen abheben zu können. Für ihn muss alles perfekt sein, diesen Anspruch erhebt er an sein Außen. Er weiß ganz oft, ganz viel besser und überall gibt er seinen Senf zu. Gleichzeitig erhofft er sich dadurch im Außen einen gewissen Respekt.
Niemand sollte auch nur einen Hauch an ihm und seiner Grandiosität zweifeln. Deswegen umgibt er sich auch oft und besonders gern mit Menschen, die was zu sagen habe, die eine gewisse Stellung besitzen oder von denen er sich etwas Glanz und Gloria verspricht.
Ohne seinen Charme ist ein Narzisst ganz arm
Auf seine Mitmenschen wirkt der Narzisst oft imposant. Mit seinem Charme wickelt er andere geschickt um seinen Finger. Er versteht es, seine Umwelt von sich einzunehmen. Manch einer macht sich abhängig von ihm und wird zu einem treuen Helfer wie z.B. einem Flying Monkey – andere werden in ihrem Narzissmus geschmeichelt und lassen ihren eigenen narzisstischen Zügen freien lauf.
Da er nur äußerst selten Widerstand erfährt und sein Co-abhängiges Umfeld ebenso Schwierigkeiten hat (die eigenen) Grenzen zu wahren, glaubt er sein Selbstbild entspricht der Wirklichkeit. Wehe, aber jemand widerspricht und sein Selbstbild gerät in Gefahr – dann ist das wie eine Kränkung und die narzisstische Krise bahn sich an. Ohne seinen Charme ist der Narzisst dann ganz arm.
Wenn die Illusion in sich zerfällt, treten Minderwertigkeit und Ohnmacht auf
Der Narzisst idealisiert sich selbst und baut ein Selbst- und Weltbild auf, welches kaum der Wirklichkeit entspricht. Im Job ist er die große Nummer, zu Hause schiebt er diese fleißig und Kummer hat er keinen. Er lacht oft, gerade dann, wenn es nicht zum Weinen reicht. Bis er erkennt, dass er einer Illsuion nachläuft. Und ihn das Karma fickt, oder das Schicksal heimsucht.
Folgende Trigger führen zu einer Desillusionierung und gleichzeitig narzisstischen Krise:
-
- Trennung/ Scheidung des Partners
- Verlust von Schönheit, Gesundheit, Fitness und Jugendlichkeit
- Verlust der sexuellen Anziehungskraft und Potenz
- Arbeitsplatzverlust oder Umstrukturierung
- Verlust des Eigentums und Vermögens
- generell Trennung und Verlassen werden
- Verlust des Freundeskreises
- herbe, wiederkehrende Misserfolge
- permanente Konflikte mit dem sozialen Umfeld
- chronische oder schwere Krankheiten
- wenn er erkennt, dass seine körperlichen Ressourcen nachlassen und er auf fremde Hilfe angewiesen ist
- Erschöpfungszustände bis hin zum Burn-out
- Berentung oder Pensionierung
- Todesfälle
- Opfer von kriminellen Verbrechen
- Kriege
- Gewalt an Tieren oder Kindern
Die narzisstische Krise ist wie eine Retraumatisierung
Eine Retraumatisierung tritt auf, wenn Menschen mit traumatischen Erfahrungen erneut konfrontiert werden, was zu einer Wiederbelebung von Angst, Stress und emotionaler Belastung führt. Dies kann durch ähnliche Situationen, Reize oder Gespräche ausgelöst werden. Auch Narzissten sind häufig Opfer von narzisstischer Gewalt gewesen, was sie als Kind traumatisier hat.
Die erneute Aktivierung von traumatischen Erinnerungen kann schwerwiegende Auswirkungen auf das emotionale Wohlbefinden haben, eine narzisstische Krise auslösen und Fortschritte in der Traumaheilung behindern. Professionelle Unterstützung, wie sie in der Traumatherapie angeboten wird, ist entscheidend, um Retraumatisierung zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Betroffenen die notwendige Unterstützung erhalten, um mit ihren Erfahrungen umzugehen.
Sensibilität und Empathie sind in der Begleitung von Menschen, die traumatische Ereignisse durchlebt haben, unerlässlich, um eine sichere Umgebung zu schaffen und weitere Traumatisierung zu verhindern.
Um eine narzisstische Krise zu durchleben, muss man übrigens kein Narzisst sein. Ein schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl reicht vollkommen aus. Man bezeichnet diese Art von Krise auch als Dekompensation, als Midlife-Crisis oder als Regression. Es gibt also ziemlich viele Parallelen zu anderen Auffälligkeiten des Lebens, die weniger negativ konnotiviert sind.
Die narzisstische Krise überwinden – Chancen auf etwas Neues
Festzuhalten gillt ebenso: der Narzisst hat Schuldgefühle. Und er schämt sich. Jedoch tut er sich sehr schwer, dies zuzugeben. Denn dies würde ja sein Selbstbild gefährden, weswegen er bis zu einem gewissen Grad mit Projektion, Verschiebung oder Vermeidungsverhalten reagiert.
Wenn er jedoch blockiert ist in seinen Bemühungen, also nicht mehr in der Lage ist, zu kompensieren, dann gibt es eine Chance, dass ein gebrochener Narzisst sich von selbst in Therapie begibt. Begegne dem Narzissten in der Situation mit Empathie und er kann Heilung erfahren und eine Motivation entwickeln, sich zu verändern. Eine narzisstische Krise ist also immer eine Chance auf ein neues Leben – ein Leben nach der Krise.
© Daniel Brodersen