Die Narzisstische Kollusion: Wenn Narzisst und Co-Narzisstin aufeinander treffen

Es gibt viele Ratgeber zu der Frage, wie man sich von einem Narzissten trennt oder wie man sich ihm gegenüber verhalten soll. Ebenso wird in vielen Internetforen oder Facebook-Gruppen darüber diskutiert, wie man mit seinem narzisstischen Partner umgeht oder wie er mit einem selbst umgegangen ist. Es geht aber nie um den Umgang mit sich selbst oder der eigenen narzisstischen Bedürftigkeit, die vor der Beziehung schon vorhanden war und während der Beziehung gefüttert wird. Der Schweizer Psychologe Jürg Willi bezeichnete das Aufeinander treffen zweier bedürftiger Menschen als „Narzisstische Kollusion“ Dabei missbrauchen beide Partner den jeweils anderen um die eigenen narzisstischen Bedürfnisse zu erfüllen. Der Narzisst will umsorgt werden, der Co-Narzisst will gebraucht werden. Eine explosiv traumatische Verbindung ist vorprogrammiert.

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Die narzisstische Kollision: Zwei Bedürftige auf Reisen

Die narzisstische Kollusion in Kürze

Zu einer Partnerschaft gehören immer zwei. Und jeder trägt für das, was er tut oder was er bereit ist zu erdulden, selbst die Verantwortung. Für Beziehungen, in denen die jeweiligen neurotischen Schwächen der Partner wie Schlüssel und Schloss zusammenpassen, hat der eidgenössische Paartherapeut Jürg Willi den Begriff der „Kollusion“ geprägt.

In der „narzisstischen Kollusion“ treffen Narzisst und „Co-“ oder auch „Komplementärnarzisst“ zur wechselseitigen Befriedigung ihrer Bedürfniswelten aufeinander. Während der eine die Bewunderung, Verehrung und Bestätigung des anderen genießt, fühlt sich der andere durch die demonstrierte Grandiosität und gegebenenfalls durch die materiellen Erfolge des Partners aufgewertet.

Der Co-Narzisst hat dabei meist die gleichen seelischen Probleme, wie sein Partner (hohe Kränkbarkeit, Sehnsucht nach Akzeptanz, Liebe und Verständnis). Er wählt nur einen anderen Weg, um dieses Defizit zu kompensieren. Er identifiziert sich mit dem überlegenen Partner, um über die Zugehörigkeit zu einem Ideal eine Aufwertung der eigenen Person zu erfahren. Daher müssen der Glorienschein erhalten und Mängel ignoriert oder ausgeglichen werden.

Narzisst vs. Co-Narzisst: Wer ist Opfer, wer ist Täter?

Stelle dir mal eine romantische Beziehung zwischen zwei Personen vor: Alex und Sam. Alex ist ein extrovertierter, charismatischer Mensch mit starken narzisstischen Neigungen. Er genießt es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und bewundert zu werden. Ihm sind Erfolg, Macht und Reichtum extrem wichtig.

Sam hingegen ist ruhig und zurückhaltend, mit einem starken Bedürfnis danach, anderen zu gefallen und Konflikte zu vermeiden. Sam ist sich nicht zu schade dafür Extraaufgaben zu übernehmen, auch wenn diese ihr gar nicht zugeteilt wurden. Für ein bisschen Liebe und Anerkennung ist Sam bereit alles zu tun.

In dieser Beziehung findet in der Tat eine narzisstische Kollusion statt. Alex erwartet ständige Bewunderung und Bestätigung von Sam, die bereitwillig bereit ist, sie zu geben, um Alex‘ Zustimmung zu gewinnen und Konflikte mit ihm zu vermeiden.

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Sam macht Alex Vorwürfe dafür, dass er sie nicht sieht

Sam beginnt, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu vernachlässigen, um die Bedürfnisse von Alex zu erfüllen und die Beziehung aufrechtzuerhalten. Auf diese Weise verstärken sich die narzisstischen Tendenzen von Alex, während Sam zunehmend abhängig und unterwürfig wird – jedoch ebenso erwartet, dass dies von Alex irgendwann gesehen und anerkannt wird.

Die Frage nach der Schuld ist kontraproduktiv

Das Internet ist voll von Ratgebern, Foren, YouTube Videos, TicToc Beiträgen und Coaches, die über Narzissmus aufklären. Und immer gibt es mindestens ein Opfer und einen Täter. Also jemand, der alles versucht hat, es dem sogenannten Narzissten recht zu machen, ohne dabei auf sich selbst zu achten.

Leider sind solche Ratgeber oder Gruppen eher weniger hilfreich, was Selbstreflektion betrifft. Der Narzisst wird fast immer als böser Teil der Beziehung dargestellt, und ganz oft trifft es die Männer, die dann mit dieser Bezeichnung diagnostiziert werden. Die Frau sieht sich dagegen nach der Beziehung häufig als Opfer. Und das, obwohl sie während der Beziehung eigentlich als Co-Narzisstin in Erscheinung trat.

Die Frage danach wer jetzt schuld ist, ist kontraproduktiv, denn sie lenkt vom Wesentlichen ab. Und diese Frage verhindert weitere Fragen, deren Antwort möglicherweise eine Lösung darstellt. „Warum war ich so lange mit dem Narzissten zusammen? Warum habe ich mich manipulieren lassen? Ich hätte mich schon viel früher trennen können, aber ich konnte nicht. Warum?“ Diese Fragen stellt interessanterweise niemand. Als „Opfer“ ist es supereinfach, die alleinige Schuld beim Täter zu suchen. Selbstreflexion ist zu anstrengend.

Ist eine Co-Narzisstin das gleiche wie eine verdeckte Narzisstin?

Die verdeckte Narzisstin empfindet die eigennützige Behandlung ihres narzisstischen Partners zunächst nicht als eine Zurücksetzung, sondern verspürt sogar eine große Genugtuung, dem anderen zu Diensten zu sein und ihm dadurch Freude zu bereiten.

Sie will es dem Narzissten in jeder Hinsicht recht machen und ärgert sich oder macht sich selbst Vorwürfe, wenn ihr das nicht gelingt. Sie opfert sich auf und lässt sich dadurch emotional missbrauchen. Genauer: Das Muster der Kindheit wird bedient, das Selbstbild genährt, die Glaubenssätze bestätigt. Die verdeckte Narzisstin ist „geboren“.

Wirklich helfen können nur Menschen, die selbst keine Hilfe (mehr) benötigen. Das ist wie im Flugzeug: Bei den Sicherheitseinweisungen erklärt die Stewardess jedes Mal ausdrücklich, dass im Notfall jeder Mensch zuerst sich selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen soll. Erst dann kann er bedürftigen Mitmenschen helfen.

Das gilt für alle Lebensbereiche. Jemand anderem „helfen“, obwohl einem dabei selbst die Puste ausgeht, führt nur dazu, dass jeder Schaden erleidet. Die Co-Narzisstin erwartet für ihre Hilfe Dankbarkeit. Doch ihr Partner denkt, dass sie das aus purer Liebe tut und er sich deshalb nicht bedanken muss. Er bekommt meist nicht einmal mit, dass sie sich für ihn aufopfert.

Die Idealisierung innerhalb einer Beziehung geht häufig auf dem Verhältnis des Narzissten zur eigenen Mutter zurück. Der Narzisst denkt aufgrund negativen Erfahrungen in seiner Kindheit, er bekomme nur unter bestimmten Voraussetzungen die Liebe und Anerkennung seiner Mutter. Und zwar genau dann, wenn er ihre Bedürfnisse erfüllt. Dadurch unterdrückt er seine eigenen Gefühle.

Ihm wird der Eindruck vermittelt, dass sich echte Gefühle wie Trauer oder Wut nicht lohnen oder dass die eigene Verletzlichkeit nicht gern gesehen wird. Als Kind hat er der Mutter dazu gedient, ihre narzisstischen Anteile zu füttern. So hat er die benötigte Aufmerksamkeit bekommen.

Um das Bild der Liebe der Mutter zu schützen, idealisiert sie der Narzisst, lässt keine negativen Gefühle ihr gegenüber zu und verleugnet ihre Fehler. Er bekommt die Liebe seiner Mutter nur dann, wenn er ihren Erwartungen gerecht wird. Auf seine Bedürfnisse nimmt er keinerlei Rücksicht.

Genau dieses Abhängigkeitsverhalten überträgt sich auf die Partnerin oder Co-Narzisstin. Der Narzisst tut am Anfang alles, um die Liebe seiner Partnerin zu erhalten. Er umgarnt sie mit Charme. Die Partnerin genießt die Aufmerksamkeit und Bestätigung ihres Partners in vollen Zügen.

Gleichzeitig haben Narzissten aber Angst vor der Einmischung in ihre Autonomie.

Deshalb erleben die Partnerinnen von Menschen mit stark entwickelten narzisstischen Persönlichkeitsanteilen meist ein Wechselbad der Gefühle. Auf Anziehung folgt unmittelbare Abstoßung und umgekehrt. Erobernde Werbung oder kalte Zurückweisung werden dadurch gesteuert, wo die ersehnte Bewunderung gerade am „sättigendsten“ erscheint. Vom Partner oder in der „freien Wildbahn“.

Ist der narzisstische Partner zu lange auf Bestätigungsentzug, mutiert er schnell zu einem Ausbund schlechter Laune und heftiger Kritik. Die Partnerin ist auf einmal emotional entbehrlich, weil sie ungewollt viele Persönlichkeitsmerkmale der narzisstischen Kindesmutter annimmt. Gleichzeitig werden ihre eigenen narzisstischen Anteile gefüttert. Sie hat sich an die Bestätigung und Anerkennung gewöhnt.

Finden Narzisst und Co-Narzisstin immer zueinander?

Die typischen Partnerinnen von Narzissten (es gibt natürlich auch andere!) sind bescheidene Menschen. Sie sind es gewohnt, sich anzupassen und haben ein geringes Selbstwertgefühl. Sie stehen von frühem Kindesalter an in jeder Hinsicht zurück und werden entwertet. Sie haben gelernt, ihre eigenen Wünsche zu vernachlässigen und sich auf die Bedürfnisse anderer einzustellen. Diese Menschen neigen dazu, ihr Ideal-Selbst (die Vorstellung davon, wie sie sein möchten) auf einen idealisierten Partner zu projizieren. So können sie sich mit ihm identifizieren und durch ihn zu einem eigenen, „akzeptablen“ Selbst zu gelangen. Die Partnerinnen unterwerfen sich.

An diesem Punkt können sie nicht mehr ohne diese Form der Zuwendung leben und machen sich von ihrem narzisstischen Partner abhängig. Sie tun alles, um seine Bestätigung zu erhalten. Sie unterwerfen sich häufig nur aus Angst vor weiteren Verletzungen oder Zurückweisung.

Ein Narzisst suggeriert seiner Partnerin in abwertender Weise, dass sie ohne ihn nicht gut sein kann. Das glaubt sie ihm in den meisten Fällen. Sie nimmt damit die Rolle des Opfers ein, in der der Narzisst seit seiner Kindheit in der Beziehung zu seinen Eltern steckt. Der Unterschied ist, dass sie schon lange kein kleines Kind mehr ist.

Narzisst und Co-Narzisstin sind gleichermaßen für ihre Beziehung verantwortlich

Zu einer Partnerschaft gehören immer zwei. Und jeder trägt für das, was er tut oder was er bereit ist zu erdulden, selbst die Verantwortung. Für Beziehungen, in denen die jeweiligen neurotischen Schwächen der Partner wie Schlüssel und Schloss zusammenpassen, hat der eidgenössische Paartherapeut Jürg Willi den Begriff der „Kollusion“ geprägt.

Man darf nicht unterschätzen, dass der Narzisst trotz seines ungehemmten Egoismus auch Schuldgefühle hat. Diese werden jedoch in aller Regel verdrängt, projiziert oder wandeln sich in Aggression, Kritiksucht und sogar Demütigung der Co-Narzisstin um. Opfert sie sich daraufhin noch mehr auf, wird sie noch devoter. So verstärken sich wiederum die Schuldgefühle und daraus resultierend auch Kritik des Narzissten. Er wird also umso mehr Täter, je stärker seine Partnerin in die Opferrolle schlüpft und umgekehrt.

Es kann nun sein, dass der Narzisst die von Abhängigkeit getriebene, teils demütige Haltung seines kritiklosen Bewunderers als einengend, unwürdig oder gar verachtenswert empfindet. Es kann auch sein, dass er einen gesellschaftlich „höherwertigen“ Bewunderer findet, der die Brüchigkeit seines Charme-Repertoires noch nicht durchschaut. Oder aber es reift bei der Co-Narzisstin irgendwann der Impuls heran, selbstständiger zu werden.

Dann beginnt sie, sich gegen die als demütigend erlebte Selbstherrlichkeit des narzisstischen Partners zu wehren und begehrt gegen seine kalte Rücksichtslosigkeit auf. Im Zuge der gegenseitigen Schuldzuweisungen bleibt den Betroffenen der entscheidende Erkenntnisschritt in aller Regel verwehrt: Es ist erforderlich, den aktuellen Konflikt mit den anfänglichen Bedürftigkeiten in Bezug zu setzen, die überhaupt erst beziehungsstiftend waren.

Ein diagnostizierter Narzisst bricht aus diesem Grund auch den Kontakt zu seiner Mutter häufig ab. Denn sie mischt sich nach wie vor in sein Leben ein und tritt seine Autonomie mit Füßen, um am Ende ihre eigene Bedürftigkeit nach Anerkennung und Bestätigung zu stillen. Gleichzeitig verzichtet der Narzisst gezwungenermaßen auf seine Bedürfnisse, um die Liebe der Mutter nicht zu verlieren.

Ähnlich verhält es sich auch in Liebesbeziehungen. Im Ergebnis benötigen beide, sowohl der Narzisst als auch die Co-Narzisstin eine Therapie. Der Narzisst, damit er das Verhältnis zu seiner Mutter wiederaufarbeiten kann und die Co-Narzisstin wegen der Beziehung zum Narzissten und der mit in die Beziehung gebrachten Bedürftigkeiten.

© Leonard Anders (Auszug aus seinem Buch „Ein Narzisst packt aus„)

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