Guten Tag!
Mein Name ist egal … ich habe eine narzisstische Persönlichkeitsstörung.
So leicht sich dieser Satz liest, so lange hat es gedauert, bis ich mir darüber im Klaren wurde, und es fällt mir heute, nach fast zweijähriger Therapie, davon acht Monate stationär und vier Monate in einer Tagesklinik, immer noch schwer, ihn für mich zu akzeptieren. Es ist aber leider Realität.
Ich bin ein Narzisst der gefährlichsten Sorte, der Sorte, die es nicht nötig hat, zu lügen, einer, der sich nicht als mehr darstellt, als er ist, einer mit einer nachprüfbaren Vita, beruflich wie privat. Zwei langjährige Ehen, eine davon – mit der Jugendfreundin – gescheitert. Nach 20 Jahren eine zweite, bei der mich meine Frau mit meinem Steuerberater betrogen hat und beide mir 350.000 Euro abgezockt haben. Alles nachweisbar, alles nachprüfbar. Daran, was ich heute bin und wie ich bin, bin natürlich in erster Linie ich selbst schuld, aber zeit meines Lebens haben Frauen diese Entwicklung angestoßen und befeuert.
Wie alles begann? Über die ersten Jahre meiner Existenz kann ich naturgemäß nicht viel sagen. Ich kann nur Bilder von mir und Aussagen von älteren Verwandten interpretieren. Meine Mutter wünschte sich ein Mädchen, ich hatte aber nun einmal das Pech, ein Junge und zudem eine Steißgeburt zu sein. So habe ich der Welt zuerst meinen Arsch, dann mein Geschlecht gezeigt, was meine Mutter beides nicht mit Freude erfüllte. Dessen ungeachtet kleidete sie mich, da die Anschaffungen nun schon einmal gemacht waren, in Mädchenkleidung ein.
Was für ein Glück für meine Mutter, dass ihr nächstgeborenes Kind das erwartete Mädchen war, auf das sie ihre Liebe konzentrieren konnte. Ich für meinen Teil habe nie gehört, dass sie mich lieb hat, habe nie erlebt, dass sie mich in den Arm genommen oder mich getröstet hat. Kam ich blutend nach Hause, musste ich aufpassen, dass der Teppich nicht versaut wurde, hatte ich mir dabei die Klamotten zerrissen, gab es noch eine Tracht Prügel obendrauf. Prügel und Psychoterror sind so ziemlich die einzigen Erinnerungen aus dieser Zeit. Zuerst Prügel von meiner Mutter, mit allem, was zur Hand war, seien es Latschen, Teppichklopfer, Gürtel oder Kochlöffel.
Als ich etwas größer und von der Prügel schon einigermaßen abgehärtet war, zündete Stufe 2. Egal ob ich etwas ausgefressen hatte oder eine meiner Schwestern (Begründung: Du bist der Älteste, du hättest aufpassen müssen), erfolgte eine Sofortbestrafung meiner Mutter (meistens ein, zwei Backpfeifen), danach musste ich mich auf die Treppe setzen und auf meinen Vater warten. So saß ich da, manchmal über Stunden hinweg, und wartete darauf, dass mein Vater nach Hause kam, um mich dann, wie meine Mutter meinte, richtig durchzulassen. Ich habe angenehmere Wartezeiten in meinem Leben kennengelernt. Zweimal wurde ich krankenhausreif geprügelt, ich konnte mich teilweise über Tage hinweg vor Schmerzen nicht bewegen. Aber wahrscheinlich war es ja Teil der Mannwerdung, wie es mein Vater ausdrückte … Genauso wie Tauben, Hühner, Gänse oder Kaninchen zu schlachten und auszunehmen … Ob ich dabei kotzte oder nicht, es gegen meine innerste Einstellung verstieß, war meinem Vater egal … Sei ein Mann, war sein Motto. Das Einzige, was ein Mann nicht kann und darf, ist, Schwache oder Frauen schlagen. Zumindest hierin irrte er nicht.
Ob dieser brutalen Umgebung verhielt ich mich natürlich auch außerhalb der Familie entsprechend. Ich war brutal, schlug mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit, die ich meistens selbst provoziert hatte, wobei ich mir aber eine Überzahl an Gegnern oder vermeintlich Stärkere, Ältere auswählte, niemals Schwächere, ich war aufsässig in der Schule … und hier griff der Kreislauf wieder, denn dafür gab es dann erneut Bestrafungen. Die Schule versuchte gegenzusteuern, typisch 68er-Schule, begann mich mit Sport zuzuschütten: Basketball, dann Fußball, Westdeutscher Jugendmeister, Deutscher Jugendmeister, ein Einsatz im Jugendnationalteam, Torwarttraining mit Herbert Burdenski (der Sportlehrer bei uns war) und seinem Sohn, Dieter Burdenski, der später Nationaltorhüter wurde, zu der Zeit aber mein Ersatzmann war. Aber immer, wenn ich in meinen Augen die Spitze erreichte, hörte ich auf damit. Wie sagt man so schön: Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören.
Zwischenzeitlich, in meinem zwölften Lebensjahr, veränderte sich Entscheidendes. Die Natur hatte es gut mit mir gemeint und mich relativ schnell groß und älter aussehen lassen. Aber wie immer ist gut gemeint nicht immer auch gut gemacht. Meine Tante (die Frau des Bruders meiner Mutter) trat direkter in mein Leben ein. Sie hatte natürlich häufig mitbekommen, wie ich in meiner Familie behandelt wurde, und wählte mich für ihre perfiden Machenschaften aus. Als ich bei meinem Cousin zu Besuch war und dort auch übernachten sollte, musste ich mich auf Geheiß meiner Tante duschen, bevor ich ins Bett ging. Ich stand kaum unter der Dusche, da kam sie im offenen Bademantel herein, tat kurz verwundert, schloss den Bademantel und meinte, sie habe gedacht, ich sei fertig … Hier verfluche ich die Natur, die mein Glied bei diesem Anblick zur sofortigen Erektion brachte. Meine Tante schaute darauf, lächelte und ließ den Bademantel von den Schultern gleiten … ich konnte meinen Blick nicht von ihren großen Brustwarzen und dem dichten Busch zwischen ihren Beinen lassen. Zu dieser Zeit war man nicht aufgeklärt und kannte solche Sachen nur vom Hörensagen.
Sie ging kurz raus, schloss meinen Cousin in seinem Zimmer ein, kam zurück und führte mich ins Schlafzimmer – mein Onkel hatte Nachtschicht. In dieser Nacht wurde ich praxisnah aufgeklärt, und ich dachte zum ersten Mal in meinem Leben, Wärme und Nähe zu spüren… Falsch gedacht. Ich wurde von ihr regelrecht dressiert. Was mir Spaß machte, interessierte nicht, ich wurde darauf getrimmt, was ihr Spaß machte. Funktionierte ihr menschlicher Vibrator nicht richtig, machte ich nicht das, was sie wollte, oder kam ich gar für ihre Begriffe zu früh, gab’s die gewohnte Prügel. Ich hatte sie stundenlang mit Zunge und Fingern zu verwöhnen, die notwendige Technik dazu zeigte sie mir. So kam es, dass ich meinen Körper mit der Zeit so unter Kontrolle gebracht hatte, dass ich den eigenen Orgasmus so lange hinausschieben konnte, wie ich wollte – eine Fähigkeit, die mir später im Leben gut zupass kam.
Die Wünsche meiner Tante wurden immer abenteuerlicher. War mein Onkel mal wieder betrunken (er war Alkoholiker), rief sie meine Mutter an, ob sie mich rüberschicken könne, er sei wieder blau und sie brauche Hilfe. Das Perverseste war, dass ich einmal unter den Tisch kriechen musste, um sie mit der Zunge zu verwöhnen, und mein betrunkener Onkel saß daneben. Von meinem Onkel wurden wir nie erwischt, auch von keinem Mitglied meiner Familie. Wer uns einmal überraschte, war ihre beste Freundin. Aber von Empörung keine Spur, Gleich und Gleich gesellt sich halt gerne. Beide waren bisexuell veranlagt und vergnügten sich nach der einen oder anderen Party, auf der Alkohol geflossen war, schon mal miteinander. Ab sofort hatten sie ein gemeinsames Spielzeug: mich. Ihre einzige Reaktion, als sie uns ertappte, war, meine Tante solle mich doch auch mal bei ihr vorbeischicken, sie könnte es auch mal wieder so richtig vertragen. So wurde ich von Hand zu Hand gereicht, mal mit der einen, mal mit der anderen, mal mit beiden …
Mein 14. Lebensjahr begann. Ich wurde konfirmiert, und meine Eltern meinten, es wäre jetzt Zeit dazu, auf eigenen Beinen zu stehen. Wie kam es dazu? Ich überragte beide mittlerweile um einige Zentimeter, durch Schläge war ich nicht mehr in den Griff zu bekommen. Wir hatten nur ein Kinderzimmer, in dem ich mit meinen beiden Schwestern lebte. Ich flog also aus der Wohnung raus. Heutzutage unvorstellbar, damals in vielen Fällen normal. Unter kam ich in einem Zimmer mit Ofenheizung bei weitläufigen Bekannten meiner Eltern. Für die Miete (30,– DM im Monat), Essen, Trinken, Kleidung und Sonstiges sollte ich selbst sorgen. Was ich dann auch tat. Ich begann, von meiner Tante und ihrer Freundin Geld für meine Liebesdienste zu fordern, die ja jetzt ungestört in meiner Wohnung abliefen. Zudem trug ich Prospekte und Zeitungen aus, machte nebenher jeden Job, den ich bekommen konnte und der Geld brachte, ob nun Botengänge, als Bauhelfer oder anderes. Das ein oder andere illegale war auch dabei. Zum Beispiel Schwulenklatschen: Man lockt einen Homosexuellen in einen Hauseingang, und sobald er seine Hose heruntergelassen hat, fasst man ihn mit festem Griff bei den Weichteilen und fordert ihn auf, sein Geld rauszurücken, weil man sonst um Hilfe ruft. Oder Ladendiebstähle, wenn der Hunger oder Durst zu groß war.
Was ich aber auch machte: Ich hielt die Schule gnadenlos durch. Da ich ein intelligentes Kerlchen war, wusste ich schon damals, dass das meine einzige Chance war, aus dem Leben, aus diesem Dreck herauszukommen und es allen zu zeigen. Mit 16 Jahren war die Realschule endlich beendet. Der Sohn meines Vermieters war Vorstandsfahrer einer Bank und hatte den Vorstand belabert, mich als Azubi einzustellen. Ich trennte mich von meinem alten Leben. Meiner Tante bescherte ich ein Abschiedsgeschenk, das sie wohl, solange sie lebte, nicht vergessen hat: Ich verführte und fickte ihre Tochter, und als in dem Moment, in dem sie ins Zimmer kam, mein Schwanz im Mund ihrer Tochter war, fragte ich nur, ob sie nicht mitmachen wolle, sie stehe doch auf Frischfleisch …
Endlich in der Ausbildung. Mein Gott, was sich plötzlich für Chancen ergaben! War ich bislang der heruntergekommene Schläger, um den sich keiner kümmerte, war ich in unserem Viertel plötzlich der Bankangestellte. Und das war schon was in einer Arbeitersiedlung. Dass mich die potenziellen Schwiegerväter nicht ins Bett ihrer Töchter trugen, war ein Wunder, und immer wieder waren es auch die Schwiegermütter, die ein feuchtes Höschen bekamen. Mittlerweile über 190 Zentimeter groß, blaue Augen, durchtrainiert, intelligent, redegewandt, ein Job bei der Bank und mit 18 ein Auto – das waren Schlüpferstürmer par excellence. Und wenn ich einmal dran war, waren die Damen hin und weg. Über 20 Zentimeter in der Hose, und ich konnte sie einsetzen; mit Zunge und Finger ein ellenlanges Vorspiel zu zelebrieren, das hatte ich ja zur Genüge gelernt. Was sollte ich also mit den unerfahrenen Hühnern im Alter von 14 bis 18 anfangen, die normalerweise mein Beuteschema hätten sein müssen? Ich wählte meine Freundinnen, so blöd es klingt, nach den Müttern aus, weil ich die Erfahrung gemacht hatte, dass diese Küken kaum dazu in der Lage waren, vernünftig die Beine breit zu machen, geschweige denn andere Sexualpraktiken vorzunehmen. Meistens kam es zu einer Schreckstarre, wenn sie das erste Mal mein Ding in der Hand hatten oder es sahen. Eine schwierige Zeit für mich, wenn da nicht die Mütter gewesen wären, denen sich die Töchter in ihrer Not (und manipuliert durch mich) anvertrauten. Die eine oder andere Mutter war danach meinen Berührungen zugänglich, vergewisserte sich meines Interesses und bot mir nach relativ kurzer Zeit an, mich nach Hause zu fahren … inklusive Zusatzleistungen. Ein Einzelfall? Nein, mit fünf oder sechs dieser Damen hatte ich teilweise ein langjähriges Verhältnis, teilweise parallel zu ihren Töchtern, die irgendwann begriffen hatten, was sie an mir haben konnten. Eine in meinen damaligen Augen herrliche Zeit. Ich hatte zeitweise fünf Beziehungen parallel laufen, und auch im Beruf schien es, als hätte ich meine Erfüllung gefunden.
Sauber, seriös angezogen, so war ich etwas. Geldanleger, die reichen Schweine, konnte ich so manipulieren, dass sie ihr Geld so parkten, wie ich wollte. Hatte ich einen guten Tag, gewannen sie Geld, hatte ich einen schlechten Tag, verloren sie Geld und meinten noch, sie wären selbst schuld, hätten sie nur auf mich gehört. Jeden Tag hatte ich die bestaussehenden Frauen um mich herum, Kolleginnen oder Kundinnen, ich brauchte mich quasi nur zu bedienen. Frauen, die einen Gehaltsvorschuss brauchten oder einen Kredit, die ihre Raten nicht bezahlen konnten, zwängten mir ihre Dienste förmlich auf … die ich aus mir damals unerfindlichen Gründen jedoch nie annahm. Wahrscheinlich geprägt durch die Jugend: Frauen und Schwächere schlägt man nicht … und in diesem Fall waren sie in meinen Augen die Schwächeren.
Ich vögelte mich also durch die Gegend, genoss die Bewunderung, die mir im Bett entgegenschlug, ich genoss das Gefühl, dass sich die Damen mir auslieferten, mir ihr Innerstes zeigten, wie sie sich von seriösen Sekretärinnen in vor Wollust schreiende Furien verwandelten, ich nutzte meine Fähigkeiten dazu aus, das zu bekommen, was ich wollte. Waren sie nutzlos geworden oder langweilig, hatte ich alles aus ihnen herausgeholt, war ich ihren Beteuerungen nach im Bett wie kein Zweiter, hatten sie Sachen mit mir gemacht, die sie mit keinem anderen gemacht hatten – wurden sie abgeschossen. Ich genoss noch einmal die Betteleien, es nicht zu beenden, aber für mich bedeutete Schluss immer Schluss. Mein Leitspruch lautete: Aufhören, ehe es anfängt wehzutun. Zu dem Zeitpunkt wusste ich jedoch noch nicht, dass es nie wehtun würde.
Ein weiterer Einschnitt in mein Leben erfolgte mit der Bundeswehr. 15 Monate kein Geld kam für mich ohne Familienunterstützung nicht infrage, also verpflichtete ich mich auf vier Jahre. Was für ein eklatanter Fehler! Ich war ein Nichts, ein Niemand. Hinz und Kunz konnten mir Befehle geben, die meisten doof wie Bohnenstroh. Nach meiner Grundausbildung, in der ich aus Rache die Frau meines Spießes ein paar Mal gevögelt hatte und die blöde Kuh meinte, es wäre etwas Ernstes, und es ihm beichtete, da waren wir beide in einer furchtbaren Situation. Er hätte mich zwar am liebsten erschossen, aber die Schmach, mit einem Rekruten betrogen worden zu sein, war doch größer. Ich sollte einen Versetzungsantrag stellen, so weit weg von Pinneberg wie möglich. Das tat ich dann auch, und mit seiner Empfehlung wurde ich in einer NATO-Einheit aufgenommen, die sich der elektronischen Kampfführung widmete.
Zu der Zeit gab es bei der Bundeswehr noch keine weiblichen Soldaten, andere Nato-Länder waren da weiter, sodass ich mich dankbar aus dem rein männergeprägten Alltag der Bundeswehr verabschieden konnte. In der schicken Nato-Uniform konnte man jedem Mädel weismachen, man wäre Pilot oder in der Ausbildung dazu … und wieder flogen die Schlüpfer. Gott sei Dank waren die Mädels mittlerweile in einem Alter, in dem sie wussten, was sie taten, und Spaß daran hatten. Bis sie von mir verabschiedet wurden – für die eine oder andere nicht lustig, für viele aber so, dass sie mir sagten: Hab ich mir gedacht, dich nicht halten zu können, aber melde dich jederzeit wieder, wenn du Lust hast. Wow, Nektar für mein Ego!
Zu der Zeit hatten sich die Nato und der Warschauer Pakt nicht allzu lieb. An einem Wochenende sah ich im Fernsehen die Nachrichten, während ich mich für die Pirsch fertig machte. Die DDR fährt Panzer an der Grenze zu Polen auf, die UdSSR auch, um die Solidarność-Bewegung im Land zu unterdrücken. Die Nato droht an, in die DDR einzumarschieren, wenn das passieren würde. Bewegte Zeiten. Ich dachte an das übliche monatliche Säbelrasseln, als ich plötzlich erstarrte. In den Nachrichten wurde unser Codewort zum sofortigen Wochenend- und Urlaubsabbruch durchgegeben – die Alarmstufen wurden tatsächlich erhöht. Fast zeitgleich klingelte es an meiner Tür, davor standen zwei Feldjäger, die den Auftrag hatten, mich zum Flughafen Wahn zu bringen, wo weitere Befehle erfolgen würden. Die Kacke war am Dampfen.
Angekommen am Flughafen, war meine Einheit schon da, zusammengewürfelt aus Amerikanern, Holländern, Kanadiern und ich blödem Deutschen. Wir wurden in eine Hercules gesetzt, eine zweite war mit unserer Ausrüstung und unseren Trucks beladen, und sie flogen uns irgendwohin. Bei der Landung wurde uns mitgeteilt, dass wir uns ins Grenzgebiet zwischen der Türkei und der UdSSR begeben, ein Lager aufbauen und weitere Befehle abwarten würden. Gesagt, getan, und zitternd vor Angst machten wir das auch. Kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitung, nur immer Funksprüche oder Fernschreiben, die stets so begannen: Achtung, das ist kein Übungsspruch … Wir wurden auf diese Weise über die angebliche Weltlage informiert: Die Russen und die DDR sind in Polen einmarschiert, die Nato daraufhin in die DDR, musste sich nach heftiger Gegenwehr jedoch zurückziehen, sowjetische Panzereinheiten auf dem Weg in die BRD … Unser Befehl war, auszurechnen, wo Atomraketen platziert werden müssten, um einen atomaren Sperrkorridor zu ziehen. Machten wir. Schadensmeldungen kamen rein, rund eine Million zivile Opfer, Angriffswelle konnte nicht gestoppt werden, Truppen bewegen sich aufs Ruhrgebiet zu, trotz heldenhafter Gegenwehr Ruhrgebiet besetzt … Unser Auftrag lautete nun: Koordinaten für die Neutronenwaffen auszurechen, damit die Industrieanlagen einen möglichst geringen Schaden nahmen … Machten wir – immer mit der Angst im Rücken, im nächsten Moment geortet zu werden und unser Leben auszuhauchen. Wir konnten nicht denken, nur noch stumpf und reflexartig antrainiert handeln … Rückmeldung: 7,3 Millionen Tote, aber Feind gestoppt … Halt, stopp! Du hast tatsächlich dazu beigetragen, dass Millionen von Menschen umgebracht worden sind, deine Familie, deine Bekannten … mehr als Hitler und Stalin zusammen? Warst nicht du es, der gesagt hat, wo die Raketen einschlagen sollen?
Danach passierte ein Tag lang nichts, kein Funk, kein Fernschreiben, wir fragten uns, ob es jetzt auch unser Hauptquartier erwischt hatte. Aber dann kam ein Spruch durch: Übung mit Erfolg beendet … Wir kotzten. Alle. Selbst der zwei Meter große Afroamerikaner, der schon in Vietnam gedient hatte, Cleveland Cesar, konnte sich nicht halten. Wir lachten, weinten, feierten. Aber tief drin waren wir verletzt worden wie kein Mensch zuvor, wir merkten es nur noch nicht. Wir wurden abgeholt, kehrten zurück auf unseren Stützpunkt und wurden dort mit Pomp und Getöse empfangen. Ein General kam auf mich zu, die Hand ausgestreckt … und lag dann plötzlich auf dem Boden. Ich soll ihn umgehauen haben. Gerichtsverhandlung, die Sache wurde zu meinen Gunsten so ausgelegt, dass man schlicht vergessen hatte, uns mitzuteilen, dass sich die Lage entspannt hatte, aber da so viele Einheiten in Bereitschaft gewesen waren, hatte man gleich ein Nato-Manöver daraus gemacht. Urteil: 89 Tage Bau und einvernehmliche Verkürzung der Dienstzeit zum Ende der Strafe. Glück gehabt, nicht vorbestraft, keine unehrenhafte Entlassung. Die 89 Tage habe ich genossen. Jeder auf dem Stützpunkt hatte unsere Geschichte mitbekommen, ich konnte mich vor Besuch kaum retten, saß den ganzen Tag beim Wachpersonal, spielte Karten. Dazu durfte ich immer wieder zum Training und Spielen raus, die Amis hatten mich schon von Anfang an für das Team der Cologne Crocodiles rekrutiert, mit dem wir 1. Bundesliga im American Football spielten. Ich hatte während der Zeit aber auch genug Zeit, darüber nachzudenken, wie es mit mir weitergehen sollte.
Zunächst nahm ich meinen Job bei der Bank wieder auf, war aber nur noch mit halben Herzen bei der Sache. Zu meinem Glück lief mir zu der Zeit ein Mädel über den Weg, das von ihrer Vergangenheit und Gegenwart enttäuscht war, von ihrem Exfreund misshandelt wurde und die keine Lust auf eine Beziehung hatte. Er hatte ihr absichtlich einen Arm gebrochen. Mit Absicht. Einem Mädchen. In seinem Stadtteil war er der King, fünf ältere Brüder. Es dauerte zwar fünf Tage, dann hatte ich ihn aber Auge in Auge. Ich verprügelte ihn nach Strich und Faden und brach ihm beide Arme an einem Laternenpfahl. Tags darauf waren seine Brüder bei mir … o Wunder, Verständnis für mein Verhalten und Abscheu ihrem eigenen Bruder gegenüber. Auch sie mochten das Mädchen, 159 Zentimeter groß und 47 Kilogramm schwer … man schlägt keine Mädchen!
Wir bildeten von nun an eine Zweckgemeinschaft. Sie sollte nur so lange halten, bis wir erreicht hatten, was wir wollten. Ich gab mit ihr zusammen Gas. Abendgymnasium neben dem Job, dann erstes Studium, ebenfalls berufsbegleitend, mit Diplom, und als das noch nicht reichte, noch ein zweites mit Diplom hinterher. Wir beide hatten uns immer im Schlepptau, einer zog den anderen mit. Im Bett war das Ganze zwar eine Enttäuschung aufgrund der Größenverhältnisse, musste ich doch immer Rücksicht nehmen, was den Spaß bestimmt nicht befeuerte, aber ansonsten waren wir ein kongeniales Team. Ich tröstete mich immer wieder mit lockeren Affären, teils mit Sekretärinnen von Chefs, bei denen ich gerne arbeiten wollte, teilweise mit den Frauen der Chefs, die ich nicht leiden konnte, als kleine Rache. Mit unserem Ehrgeiz, unserem Einsatz und Wissen machten wir beide parallel Karriere. Ich wurde zunächst im Vertrieb Leiter einer Zweigstelle, wechselte aber dann zur bundesweiten Hauptverwaltung, wo ich im Laufe der Jahre bis auf die B-Ebene aufstieg. Sie war in der Textilbranche, wurde Einkäuferin, dann Einkaufsleiterin und stellvertretende Geschäftsführerin, bevor sie sich selbstständig machte. An diesem Punkt merkten wir, dass es vorbei war. 20 Jahre waren durchs Land gegangen, wir hatten das geschafft, was wir uns vorgenommen hatten. Wir waren in Positionen, in denen wir was zu sagen hatten und nicht mehr die anderen uns Anweisungen gaben. Aber damit endete auch unser gemeinsamer Weg.
Da saß ich nun auf meinem Managementposten, den ich mir doch immer so erträumt hatte. Blickte mich um. Was sah ich? Blick nach oben: Marionetten, vollkommene Ahnungslosigkeit vom Geschäft, aber sensationell in der Selbstvermarktung. Bekommen jeden Satz, den sie so schlau vortragen, von ihren persönlichen Assis aufgeschrieben. Beherrschen zwar keinen Dreisatz, wollen aber über die Geschicke einer Bank bestimmen – braucht man wohl auch nicht, wenn man fähige Männer und Frauen auf der B-Ebene hat, die das Fachwissen haben. Das sind die heimlichen Herrscher der Bank, die Strippenzieher. Blick nach rechts und links: Da blinken einem Ellenbogen aus rostfreiem Edelstahl entgegen. Je weniger Fachwissen, desto spitzer die Ellenbogen. Frauen gibt es auf dieser Ebene nicht, ficken reicht nur bis zur C-Ebene. Unten: C-Ebene, die Todeszone – ein fürchterliches Gemetzel findet dort statt. Nach oben wird gebuckelt und hingehalten, nach unten getreten, damit nicht noch andere nachkommen. Ein ständiges Gewusel, fast täglich sich ändernde Seilschaften und Verbindungen. Absolut kein Zusammenhalt, die Freude über die Fehler der Kollegen obsiegt. Die wohl unproduktivste Karrierestufe, die es gibt. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt, versucht den Kollegen ein Bein zu stellen und dabei gleichzeitig an Stühlen der B-Ebene zu sägen. Hier sind die Haie unter sich, fressen oder gefressen werden zählt hier. Nur diejenigen, die kampferfahren sind, keine Gefühle und nur ihren eigenen Vorteil vor Augen haben, überleben hier. Wissen ist sekundär, Durchsetzungsvermögen die primäre Eigenschaft von dem, der es letztendlich schafft. Es werden Allianzen geschmiedet, die im nächsten Moment wieder über den Haufen geworfen werden, die Meute schaut sich immer den Schwächsten des Rudels aus und mobbt diesen gnadenlos hinaus, unter den Augen der nächsten Vorgesetzten. Das reinste Wellnessbad für einen waschechten Narzissten, hierin kennt er sich aus, im Straßenkampf der Manipulation und Blendung.
Aber was macht man, wenn das letzte Ziel erreicht ist, alle Kämpfe ausgefochten und gewonnen sind, Projekte wie die Einführung des Euros erfolgreich gestemmt wurden und nicht absehbar ist, dass noch Größeres kommt? Quasi auf der Spitze des Berges … Der Normalo würde sagen: Verteidigen. Ich als Narzisst sage: Ist doch nur ein Berg, ich bin im Gebirge, da gibt es noch mehr. Also rein in die Verbandsarbeit, dort die Politik aller Banken bestimmen, rein in den DIN-Norm-Ausschuss, eine eigene DIN-Norm schaffen, nach der alle verbindlich arbeiten müssen, ab als Gutachter in den Innenausschuss des Deutschen Bundestages, um die Politik dahingehend zu instruieren, welche Gesetze wie umzusetzen sind, und last but not least: Krisenstab der Deutschen Bundesbank, einer derjenigen zu sein, die im Krisenfall mit in den Bunker dürfen. Geschafft, das 50. Lebensjahr erlebt, alles erreicht, was möglich ist und was ich erreichen wollte. Ich, das Arbeiterkind ohne Beziehungen und Geld.
Wieder einmal ein Aufflackern von Stolz, der drei Minuten anhält, einmal „Heroes“ von Bowie im Kopf abspielen, meine persönliche Siegeshymne, die bei jeder Beförderung oder beim Abschluss eines Projekts oder bei der Berufung in einen Ausschuss abgespielt wird … und dann wieder diese Leere, diese Zweifel: Hast du das wirklich alles verdient, kommt gleich jemand und reißt dir die Maske vom Gesicht und schreit Betrüger? Dann ist es wieder da, dieses Gefühl, immer im Schützengraben zu liegen und zu verteidigen, gegen alles und jeden; jeder könnte der Feind sein. Vertraue niemandem – wie oft hast du es schon selbst getan, mit der Frau von jemandem geschlafen, die ihrem Ehemann dann eingeflüstert hat, wer zu befördern sei, wie oft hast du schon mit einer Frau geschlafen, von der du dir Vorteile versprochen hast? Das könnte dir jetzt ebenso passieren. Wenn nicht ich, wer weiß dann, wie schlecht die Welt sein kann? Also einigeln, alles nur noch selbst machen, andere könnten mich ja reinlegen, und es arbeitet sowieso keiner so akkurat wie ich.
Nur noch verwalten, keine Erfolgserlebnisse mehr, es gibt nichts mehr zu erringen … die Arbeit steigt, die Verantwortung, der Druck auch … und dann, eines Tages, war es so weit: Ich wache auf, will aufstehen, und es geht nicht mehr. Mühsam plage ich mich aus dem Bett, mache mich fertig, fahre los, und unterwegs kommt das große Zittern. Ich schaffe es nicht, zur Arbeit zu fahren. Ich rufe an, nehme einen Tag Urlaub, weil krank sein geht nicht, fahre zurück. Auf der Rückfahrt geht mir die Sinnlosigkeit meines Seins durch den Kopf, denke mir, dass die Menschheit ohne mich wohl besser dran wäre, überlege, wer ehrlich um mich trauern würde … und mir fällt niemand ein.
Klare Entscheidung, wie gewohnt in meinem Leben: Dann hört es hier und jetzt auf. Eine Welle der Ruhe durchströmt mich, als ich den Sicherheitsgurt löse, auf über 200 beschleunige, die Augen zumache und die Hände vom Lenkrad nehme. Ein Gefühl der Schwerelosigkeit überkommt mich, ich spüre, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, es tut so gut zu wissen, dass gleich alles vorbei ist, das Kämpfen, das Strampeln, die Angriffe, die Anfeindungen … einfach nur noch Ruhe, ich will einfach nur noch Ruhe … und plötzlich kracht es, scheppert es, der Wagen bäumt sich auf, überschlägt sich und kommt dann zur Ruhe … Scheiß E-Klasse, das nächste Mal mache ich das im Koreaner. Die Polizei kommt, dann der Rettungswagen … Sekundenschlaf, murmle ich, das wird mir auch so abgenommen. Im Krankenhaus werden nur Blutergüsse diagnostiziert, eine Krankenschwester meint, da hätte ich aber Glück gehabt … Wirklich?, denke ich für mich und starre ihr in den Ausschnitt.
Am Tag darauf werde ich entlassen. Aber habe daraus gelernt. Ich muss mir helfen lassen. Irgendetwas stimmt an der Maschine im Kopf nicht, irgendjemand muss sie reparieren, damit sie wieder problemlos läuft und ich wieder funktioniere. Ich bin voller Panik und Frust: Das einzige Kapital, das ich habe, das, worauf ich mich immer verlassen konnte, das mich nie im Stich gelassen hat – gestört. Ich suche mir eine private Klinik für Psychosomatik raus, habe Glück, dass ein Platz frei geworden ist, und liefere mich quasi selbst am nächsten Tag ein. Über meinen Wunsch nach Reparatur meines Denkapparates musste der Psychiater nur schmunzeln: Ja, das wollen am Anfang alle, aber was ich davon hätte, wenn alles wieder so sei wie vorher?
Erst Wochen später habe ich verstanden, was er meinte. Wäre alles so wie vorher, würde ich wieder in die gleiche Falle laufen und kurz über lang vor den gleichen Problemen stehen. Ich kämpfe am Anfang gegen alles an, gegen mich selbst, gegen Mitpatienten, Psychologen, Psychiater … bis eines Tages nach einer Gruppensitzung die Einsicht kommt: Ich habe eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Plötzlich erkenne ich meine Muster, erkenne, dass ich nicht alleine bin, weiß, worauf ich zu achten habe. Diese Erkenntnis ist ein Schock für mich, der nächste Suizidversuch folgt auf dem Fuße. Tabletten, alle, die ich kriegen konnte und noch hatte, rein in mich … Pech gehabt, die Klinik ist gut, man hat mit so einer Reaktion gerechnet und eine stündliche Kontrolle angewiesen. Magen auspumpen, ausschlafen, rein in die Therapie. Schmerzhaft ist es, zu begreifen, was ich mit Menschen im Laufe meines Lebens angestellt habe. Auch was mir angetan wurde, kommt langsam aus meinem Unterbewusstsein an die Oberfläche. Die Schmerzen meiner Kindheit, die Schläge, das Ausgestoßensein, meine Scham beim Missbrauch, meine Wehrlosigkeit … aber auch meine Gefühlskälte, meine Manipulationen, mein Verletzen von Menschen ist für mich fast unerträglich, bis mein Arzt mich davon überzeugt, dass das eine natürliche Reaktion auf meine Kindheitserlebnisse ist.
Diese NPS hat mich dazu getrieben, dass ich niemals mehr wieder fremdbestimmt bin. Gut und schön, aber eine Rechtfertigung dafür, dass ich vielen Menschen wehgetan habe oder auch nicht, ist es für mich nicht. Ich lebe jetzt also mit dem doppelten Schmerz. Früher dachte ich wenigstens, alles sei richtig, wie es ist, bzw. ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht. Heute weiß ich Bescheid, komme aber trotzdem manchmal nicht aus meiner Haut. Ich hatte gehofft, dass sich im Gegenzug zu meiner „Läuterung“ auch positive Gefühle einstellen würden, dass ich Freude, Dankbarkeit oder Liebe spüren könnte. Pustekuchen. Die negativen Gefühle ja, die positiven bleiben weg – mit einer Ausnahme … ganz kleine Kinder … hier muss ich nichts befürchten, hier gibt es keine Bedrohung, wenn ich mit denen zusammen bin, habe ich ein wenig Frieden. Acht Monate blieb ich in der Klinik, gefolgt von vier Monaten Tagesklinik und zwei Monate Reha. Ich arbeite seit nunmehr einem Jahr wieder, man wundert sich hier nur, wie weich ich geworden bin wie ruhig. Wenigstens etwas. Die Verbandstätigkeiten, Gremien und Ausschussarbeiten habe ich einigen hungrigen Haien überlassen, die aus Dankbarkeit einen externen Verteidigungskreis für mich bilden. Mal sehen, wie lange das vorhält.
Ich versuche das, was ich gelernt habe, in Foren im Internet weiterzugeben. Ob das allerdings sinnvoll ist, bezweifle ich langsam. Oute ich mich als Narzissten, geht eine regelrechte Hexenjagd los: Endlich haben sie einen, an dem sie ihren Frust abarbeiten können. Eine Mitschuld durch Leichtgläubigkeit wird natürlich immer verworfen, es sind ja immer die armen, armen Frauen.
Frauenwelt … Ich warne jede neue Bekannte vor mir, schildere ihr explizit, was ich habe, was für Verhaltensmuster ich an den Tag lege und dass ich süchtig mache. Immer noch über 190 Zentimeter groß, trainiert, Haare mittlerweile grau meliert, aber alle noch da, Posten im Management, Geld, Haus, keine Altlasten … all das wiegt scheinbar schwerer als meine Argumente. In kaum einem Fall zieht sich eine Frau zurück und sagt: Brauche ich nicht. Die meisten sind so von sich überzeugt, dass genau sie die Richtige für mich sind und mich ändern können … Bei Schwachen ziehe ich dann die Notbremse und beende sofort, aber bei den Arroganten, denen nie jemand gut genug war, die selbst schon mehrfach verletzt haben, da schlägt dann meine Natur durch.
Oft habe ich überlegt, was diese Störung hervorgerufen hat. Es können doch nicht nur mangelnde Liebe und Misshandlung oder Missbrauch gewesen sein. So komme ich in stillen Stunden darauf, dass ich wahrscheinlich ein X-Chromosom zu viel in meiner DNA habe, denn das, was ich mache, weist doch eigentlich vermeintlich typisch weibliche Charakterzüge auf: Überlegenheitsgefühl, Lügen, seinen eigenen Vorteil sehen, Rücksichtslos sein, sich versorgen lassen. Im Scherz behaupte ich den Frauen gegenüber deswegen auch immer, dass ich eine lesbische Frau bin, die in einem männlichen Körper gefangen ist.