Mein Mann und ich lernten uns vor 14 Jahren kennen. Am Anfang war es wie bei jedem anderen frisch verliebten Paar auch: Man sah noch alles rosarot und hatte täglich Schmetterlinge im Bauch. Nach ungefähr einem Jahr – als der Alltag bei uns einzog – waren die Schmetterlinge fast verflogen und die Brille hatte man abgelegt.
Ich merkte, dass mein Mann mir nie so richtig seine Gefühle mitteilen, geschweige denn zeigen oder erleben konnte. Das hatte, wie ich später aus ihm herauskitzelte, mit seiner Jugend und Erziehung zu tun. Ihm wurde immer gesagt, er dürfe nicht schwach sein, geschweige denn weinen und erst recht nicht einer Frau gegenüber Gefühle zeigen, er wäre dann kein Mann mehr. Wie sich herausstellte, war er ein Opfer seines narzisstischen Vaters, der wiederum von seinem Vater schlecht behandelt worden war. Was man auch an der Ehe meiner Schwiegereltern sah und sieht. Meine Schwiegermutter ist eine Frau, die ruhig und gelassen alles hinnimmt, was mein Schwiegervater sagt und tut. Im näheren Gespräch merkte ich aber, dass auch sie, geprägt durch ihre Mutter, zu einer Frau herangewachsen war, die dem Mann immer untergeben ist.
Die Partnersuche meines Mannes gestaltete sich dann auch auf diesem Niveau. Er suchte eine Frau, die alles macht (Haushalt usw.), also ihm untergeben ist und den Rücken freihält, denn er ist ja derjenige, der arbeiten geht. Dieses Bild verkörperte ich nun gar nicht. Ich bin als selbstständige Frau herangewachsen und habe seit dem 16. Lebensjahr mein Leben selbst in die Hand genommen. Mein Mann hatte sich aber nun mal in mich verliebt.
Die Erziehung meines Mannes zeigte sich in unserer Beziehung so, dass er sich bei Problemen immer wieder aus der Verantwortung zog und mir einige Dinge, die man in einer Beziehung gemeinsam lösen muss, verschwieg. Er dachte, das werde schon wieder, und versuchte es anschließend damit zu begründen, früher sei es auch von alleine wieder weggegangen. Erst als ich diesen Hintergrund verstanden und im Gespräch mit seinen Eltern (insbesondere mit der Mutter) einiges erfahren hatte, konnte und versuchte ich damit umzugehen und als Schlussfolgerung daraus auf meinen Mann näher einzugehen.
Das beste Beispiel für die Erlebnisse, die mein Mann erfahren hat, ist die ungleiche Behandlung der Brüder. Er hat einen jüngeren Bruder, der bevorzugt wurde und auch heute noch bevorzugt wird. Dieses Maß an Ungerechtigkeit habe ich (ich habe einen jüngeren Bruder) nie erfahren. Unsere Eltern haben uns immer gleich behandelt; auch als mein Bruder sehr krank wurde und als meine Mutter starb, hatte sich nichts verändert. Aber zurück zu meinem Mann und mir.
Ich merkte, dass zwei Seiten in unserer Beziehung prägend waren. Die eine Seite: Immer wieder geschah etwas Neues in unserer Beziehung, niemals kam Langeweile auf. Die andere Seite: Mein Mann vereinnahmte mich derart, dass das Leben mit ihm mein eigenes Leben komplett in den Hintergrund drängte bzw. dass ich es aufgeben sollte. Für mich war einfach kein Platz darin vorgesehen, außer der bescheidenen Rolle, die mir zugewiesen wurde.
Ich merkte, dass mein Mann allmählich damit begann, unauffällig Forderungen zu stellen, die mal eben nebenbei erledigt werden konnten. Ich tat ihm gerne diese kleinen Gefälligkeiten – schließlich liebe ich ihn und will ihn glücklich machen. Am Anfang bedankte er sich auch noch bei mir, was aber mit der Zeit immer weniger wurde. Ich bekam gar nicht mit, wie die Dosis allmählich erhöht wurde und immer mehr Aufgaben in meinen Bereich überschwappten. Aber ich kam mir langsam vor wie ein zum Diener degradierter Mensch. Als mir das bewusst wurde, war klar, dass er bei mir an der falschen Adresse war.
Ich versuchte es erst behutsam, aber als es nicht funktionierte, war mir bewusst, dass ich etwas ändern musste. Ich machte ihm klar, dass es so nicht weitergehen könne und dürfe. Ich zeigte meine eigenen Grenzen auf, ich verteidigte die eigenen Bedürfnisse und blieb den eigenen Überzeugungen treu. Seine Äußerungen betrachtete ich immer mit dem notwendigen Abstand und blieb ihm gegenüber kritisch.
Ich fing langsam an, sein Verhalten zu durchschauen und zu verstehen, was mir die Ehrfurcht und die Angst vor seinem Auftreten nahm. Nach und nach verlor er seine Macht, weil ich nun hinter seinem selbstverliebten und egoistischen Verhalten den schwachen, sensiblen Mann sah, der sich nach Liebe sehnt und innerlich mit einem Gefühl der Minderwertigkeit zu kämpfen hat.
Ich nahm meinen eigenen Standpunkt ein und gab meiner Meinung Raum. Ich ließ mich nicht mehr zu irgendwelchen Handlungen oder Zugeständnissen hinreißen, sondern räumte mir im Zweifel immer Bedenkzeit ein. Mit etwas Abstand gelang es mir immer besser, mein eigenes Urteil zu fällen, es mit Argumenten zu untermauern und standfest zu bleiben. Er versuchte zwar immer wieder, mir meine Meinungen und Argumente auszureden, wenn sie ihm nicht in den Kram passten, aber das schaffte er nach und nach immer weniger.
Immer wieder versuchte ich ihn mit seinen Aussagen zu konfrontieren bzw. wiederholte diese. Schließlich kam er selbst darauf, wie lächerlich oder gar peinlich sein Imponiergehabe wirkte. Ich sagte zum Beispiel: „Findest du das wirklich großartig?“ Oder: „Findest du das nicht etwas übertrieben?“ Am Anfang war er so manches Mal gekränkt oder reagierte mit Abweisung. Aber das wurde immer weniger, je mehr wir miteinander redeten.
Ich merkte auch, dass es einfacher war, mit ihm zu reden, wenn ich ihn erst lobte und dann das Problem ansprach. Das richtige Maß an Lob und Kritik musste ich erst finden. So manches Mal wurde er bei zu wenig Lob gereizt, nervös und reagierte manchmal zornig. Übertrieb ich das Lob, wirkte er oft oberflächlich und nahm mich nicht ernst. Das Lob muss also echt und authentisch sein. Auch das musste ich erst richtig lernen, und ich benötigte Jahre dazu.
Das Fazit aus unserer Lebensgeschichte ist, das ich im Umgang mit meinem Mann immer wieder meine Grenzen deutlich und unmissverständlich aufzeigen muss. Ich mache ihm klar, dass ich nicht zu allem bereit bin. Dadurch werde ich zwar seine Ausschweifungen nicht verhindern, wohl aber reduzieren und ihn zu mehr Vorsicht anhalten. Ich nehme mich zurück und werde nicht unfreundlich, sondern bleibe konsequent und verbindlich.
© Diana S.